Übrigens …

Ritter Blaubart im Theater Hagen

Über sieben Leichen musst du gehn

Die Mächtigen im Land können sich alles leisten - dank funktionierender Netzwerke inklusive Bestechung und Einschüchterung. Jacques Offenbach hatte für seinen Ritter Blaubart das Kaiserreich Napoleons III und dessen Machtstrukturen als Blaupause vor Augen. Das liegt einem heutigen Publikum natürlich sehr fern. Deshalb verlegt Holger Potocki die Handlung nach Italien: Da ist alles klar. Es herrscht die Mafia und auch Silvio Berlusconi mit seiner Bunga, Bunga-Politik bevölkert die Bühne. Das verstehen alle! Ein Sumpf von Korruption breitet sich aus. Und das ist im Dritten Kaiserreich genauso wie im Italien der Jetztzeit. Ein Mann mit guten Kontakten kann da ohne Probleme fünf Ehefrauen verschwinden lassen. Und niemand wird meckern, solange er nur gute Verbindungen hat. Blöd nur, dass im Auftragsmörder ein zu weiches Herz schlägt und Blaubarts Frauen nur zum Schein ermordet. Die müssen dann öde Tage in Gefrierschränken verbringen. Da brodelt es gewaltig. Und wenn dann noch die energische Boulotte sich dazu gesellt, ist der Weg zum Aufstand gegen den Herrn und Meister nicht mehr weit. Angela Davis schürt den Widerstandswillen ebenso stimmgewaltig wie tatkräftig. Dagegen etwas zu tun ist Blaubart nicht mehr in der Lage. Santiago Bürgi muss einsehen, dass er mit Strahlemanngehabe nicht mehr zum Ziel kommt. Wie ärgerlich, wollte er doch als großen Coup die Königstochter ehelichen.

Potocki bringt durch seine Verortung nach Italien Offenbachs Ritter Blaubart seinem Publikum näher. Das schmunzelt, lacht und kichert ganz zu Recht. Lena Brexendorffs Bühne verstärkt die Wirkung enorm, weisen doch viele Kleinigkeiten auf das Geschehen hin. Da gibt es wie auf einem Wimmelbild überall etwas zu entdecken. Ein absoluter Augenschmaus! Die Inszenierung am Theater Hagen zeigt mit Witz und Augenzwinkern die Aktualität der Offenbachschen Operette und das Ensemble bringt sie mit Spaß am Spiel rüber. Das Ballett Hagen sorgt für fantastische Einlagen, die sich perfekt in den Abend einfügen und wunderbar anzusehen sind. Störend sind da nur die altbackenen deutschen Texte, die einen Widerspruch zur quirligen Handlung darstellen.

Ofeliya Pogosyan als Prinzessin Hermia und Anton Kuzenok sind ein Liebespaar, das sich ungezwungen des Lebens erfreut. Das drücken beide mit wunderbar dahin fließenden Stimmen aus. Die Mörder wider Willen geben Kenneth Mattice als Graf Oscar und Hagen-Goar Bornmann als Popolani. Beide sind wirklich liebenswert. Auch stimmlich geht ihnen jegliche Brutalität ab, man hat mit ihnen eher Mitleid.

Sophia Franke ist eine eher zurückhaltende Königin, steht im Schatten ihres Gemahls Bobèche, den Richard van Gemert als Berlusconi mit der nötigen Portion Verschlagenheit ausstattet. Julian Wolfs Chor greift mit Freude ins Geschehen ein und ist alles andere als bloße Staffage.

Ein kleines Rätsel bleibt, warum sich Rodrigo Tomillo und die Hagener Philharmoniker nicht vom wirbelnden Geschehen auf der Bühne anstecken lassen. Was da aus dem Graben tönt, ist meist sehr verhalten und strömt selten über von Spaß und Freude.

Das Premierenpublikum ist absolut begeistert. Das äußert sich in Reaktionen während des Abends - aber auch im grandiosen Schlussapplaus. Dieser Ritter Blaubart hat das Zeug zum Publikumsmagneten.