Übrigens …

Die Fledermaus im Dortmund, Oper

Lauwarmes Bad

Wo spielt eigentlich Die Fledermaus? Regisseur Hinrich Horstkotte identifiziert den Ort Baden bei Wien als jenen „Badeort in der Nähe einer Großstadt“, von dem das Libretto der Operette spricht. Und hat sich für die Dortmunder Neuinszenierung ein Badewannenszenario auf die Bühne bauen lassen, in dem sich die elegante Dame Rosalinde und der eitle Tenor Alfred während der Ouvertüre begegnen - als Vorgeschichte zur eigentlichen Handlung.

So weit, so stimmig. Zumal all die hin- und hereilenden Gestalten lauter lustige Klamotten tragen: Horstkotte ist sein eigener Kostümbildner, und er schöpft aus dem Vollen, um eine farbenprächtige k.u.k.-Atmosphäre zu verwirklichen. Dass ein bekanntes Sissi-Porträt im Haus des Rosalinde-Ehemanns Gabriel von Eisenstein auf der Rückseite eine Nackedei-Kaiserin entblößt, gehört zu den kleinen Kalauern, die die Inszenierung dem Publikum bietet.

Seltsam nur: Die prickelnde Stimmung, die man in der Geschichte um die eigentlich so tugendhafte Rosalinde und ihren flatterhaften Gatten Gabriel erwartet, will nicht recht aufkommen. Dabei bietet die Produktion vor allem im zweiten Akt beim Fest des Grafen Orlofsky all jene Ausstattungsfülle auf, die Freunde des Genres an diesem Werk lieben. Aber der Champagner, dem hier in vollen Zügen gehuldigt wird, wirkt eher lauwarm temperiert. Zumal die Regie mit dem Bad-Motiv, das hier im Bild eines überdimensionalen Beckens wiederkehrt, auf der Handlungsebene nicht viel anzufangen weiß. Schaumwein im Schaumbad? Dazu ringt sich die Regie dann doch nicht durch. Stattdessen gibt’s einen kindlich-kindischen Gastgeber-Grafen, der vom Libretto legitimiert, aber nur mäßig lustig ist. Es wirkt bezeichnend, dass es nennenswerten Szenenapplaus erst für die - etwas unmotiviert eingeführte - Balletteinlage der Ballettratten und Fledermäuse gibt.

Die Musik dazu ist Strauß` Schnellpolka „Eljen a Magyar!“, sie kommt unter den Händen des Dirigenten Motonori Kobayashi schön effektvoll aus dem Orchestergraben. Die Dortmunder Philharmoniker und ihr Erster Kapellmeister lassen definitiv nichts anbrennen, mit liebevoll ausgekosteten Beschleunigungen etwa beim „O je o je, wie rührt mich dies!“ versuchen sie, der szenischen Betriebsamkeit etwas mehr Raffinement beizumischen - auch wenn die Gegensätze zwischen schmissigem Schwung und seligem Sentiment („Brüderlein und Schwesterlein“) noch stärker ausgekostet werden könnten. Ensemble und Chor schließen sich diesem Niveau unmittelbar an: Schön etwa der Sopran-Kontrast zwischen der quirligen Adele von Sooyeon Lee und der lyrischen Rosalinde Tanja Christine Kuhns, ordentlich Fritz Steinbacher als Eisenstein und Daegyun Jeong als Dr. Falke im schwarz glänzenden Fledermaus-Frack. Morgan Moody ist stimmlich und darstellerisch ein erstklassiger Gefängnisdirektor Frank.

Dass der ulkige Steffen Schortie Scheumann als Frosch im dritten Akt für mehr Heiterkeit sorgt, ist nicht nur seiner dankbaren Rolle geschuldet, sondern auch der Deutlichkeit seiner Sprache - der Inszenierung wäre gewiss gedient, an der Verständlichkeit mancher Dialoge noch zu feilen. Zunächst bietet diese Fledermaus erheblich mehr Opulenz als Raffinement, was sogar zu einzelnen Buhs im Premierenbeifall führte. Lust auf kühl prickelnden Champagner hat das Publikum gewiss.