Übrigens …

Sasja oder das Reich jenseits des Meeres im Theater Münster

Auf dem Weg, den Tod zu überlisten

Sasja ereilt ein furchtbares Schicksal: ihre Mutter Semilla stirbt! Man könnte auch sagen: sie wurde entführt in das Reich des Todes! Da stellt sich doch die Frage, ob es für Semilla womöglich einen Weg hinaus aus diesem Reich gibt, ob sie aus den Fängen des Todes gerettet werden kann. Sasja beschließt, ihre Mutter zu suchen und zu befreien - und macht sich auf den Weg in das Reich jenseits des Meeres. Eine Reise, die viele Abenteuer bereit hält und in der es so manche Herausforderungen zu meistern gilt.

Dies der Ausgangspunkt der Oper Sasja und das Reich jenseits des Meeres von Gordon Kampe, ein Auftragswerk des Theaters Münsters, uraufgeführt als Projekt des Jungen Theaters, des Opernstudios und des Sinfonieorchesters Münster. Fundament ist der der Oper ihren Titel gebende Roman der schwedischen Erfolgsautorin Frida Nilsson, 2019 von der LUCHS-Jury ausgezeichnet mit dem Preis für das beste Kinderbuch des Jahres.

Die Reise mit ungewissem Ausgang tritt Sasja allein an. Schon bald aber trifft sie auf Wesen fremder Regionen, mit denen sie Freundschaft schließt. Wesen, die tierische Züge tragen wie Trine Trefot, das grunzende Schweinchen. Oder die Prinzessin von Sparta, eine Hündin mit braunem Fell und spitzen Ohren. In Vingmors Felsenburg begegnet sie den Harpyrer*innen, echt bizarren Gestalten. Allesamt stehen in Verbindung mit dem Totenreich und sind unsterblich. Alle verbindet ein gemeinsames Ziel: den Tod höchstpersönlich zu suchen und ihn zu überlisten. Und natürlich Sasjas Mutter zu befreien. Am Ende ist das Haus des Todes tatsächlich erreicht. Der Tod? Eher ein onkelhafter Typ, der den Ankommenden tagelang Kuchen spendiert.

Aus all dem entwickelt Regisseur Sebastian Bauer ein wechselvolles Spiel, das auf Karen Simons herrlich bunter Bühne Fahrt aufnimmt und für deren Protagonist*innen Kathrin Krumbein äußerst fantasievolle Kostüme und Requisiten kreiert. Unvorhersehbar, geheimnisvoll, durchaus auch gefährlich, dann wieder lustig... - so schillernd wie das Treiben von Sasja und seinen Freund*innen ist auch die Musik von Gordon Kampe. Spannungsvoll in jedem Augenblick. Und stilistisch sehr vielfältig: schwebende, kaum greifbare Sphärenklänge, schmissig-virtuose Arien, schöne Melodien, Ausflüge in die Musikgeschichte mit „Dies irae“-Zitaten und Richard Wagners „Walhalla“-Motiv... damit wird die Handlung illustriert und kommentiert.

Mit zwei Stunden Spieldauer (inklusive Pause) ist die märchenhafte Reise zum Reich des Jenseits allerdings ziemlich lang. Unnötig lang, denn häufig sich wiederholende Textphrasen ließen sich problemlos streichen, das Ganze wäre locker 30, 40 Minuten kürzer und damit flüssiger. Kleiner Knackpunkt sind auch die (nicht übertitelten) gesprochenen Dialoge, die nur bedingt zu verstehen sind, weil das deutsche Idiom nicht immer getroffen wird.

Gesungen aber wird ganz ausgezeichnet. Yeaseul Angela Park (Sasja), Benjamin Park (Trine Tvefot), Soraya Abtahi (Prinzessin von Sparta), Ramona Petry (Höder von Harpyrien), Oscar Marin-Reyes (Tod), Ramon Karolan (Kapitän), Elena Sverdiolaité (Königin von Sparta), Yixuan Zhu (Vingmor), schließlich auch Lucia Regenbrecht, Luna Meyer-Fredrich und Lisa Strathaus (Chor der Fliegen) - ein tolles Ensemble, stimmlich ebenso wie darstellerisch. Das Sinfonieorchester Münster, konzentriert und mit Präzision dirigiert von Thorsten Schmid-Kapfenburg, steuert mit breit aufgestelltem Instrumentarium alle erdenklichen Farben bei. Großer Applaus in Münsters Großem Haus.