Übrigens …

Don Giovanni im Dortmund, Oper

Der Macho und die starken Frauen

Exzellenten Marzemino gibt es an diesem Abend nicht. Keinen italienischen Wein, sondern Bier aus der Flasche trinken Don Giovanni und seine Kumpels. Und wenn aus dem Orchestergraben das Zitat aus der „Hochzeit des Figaro“ tönt, grölen sie fröhlich mit, als wäre es ihre Vereinshymne.

Mozarts legendärer Opernheld wird dann zwar, ganz wie gewohnt, von der Statue des getöteten Komturs zur Höllenfahrt geholt. Aber dieser Rächer ist umgeben von Frauen, die das Haupt der mythologischen Medusa verkörpern. Zuvor war Don Giovannis feuchtfröhlicher Herrenabend nicht nur von seines Ex Donna Elvira aufgemischt worden, sondern von all den Frauen, die in der Oper eine Rolle spielen. Keine Frage: In Ilaria Lanzinos Dortmunder Neuinszenierung darf der Macho zwar in altbewährter Art posieren und agieren. Doch die spannendsten Geschichten liefern seine weiblichen Gegenspielerinnen, die nicht bloß Opfer sein wollen.

Schon in der Ouvertüre begegnen sie alle dem maskierten Protagonisten, fast scheint es, als wäre die Story hier schon auserzählt. Dass im Anschluss Donna Anna im trauten Heim vergewaltigt wird, während Papa Komtur und Bräutigam Don Ottavio nebenan gemütlich plaudern, gehört zu den stärkeren Akzenten in dieser Produktion. Schön auch, wie die Regisseurin den weiteren Weg Donna Annas über einen längeren Zeitraum schildert, von der Bestattung des Vaters über ihre Schwangerschaft bis zum Auftritt im zweiten Akt mit Kinderwagen und Baby. Sopranistin Anna Sohn erntet als Primadonna des Stücks großen Applaus für die Intensität ihres Gesangs, auch wenn die Koloratur-Herausforderungen der letzten Arie deutlich bleiben.

Donna Elvira, die verlassene Geliebte des Helden, gewinnt als eigentliche Gegenspielerin großes Format - trotz manch überdrehter Regie-Einfälle. Ihre Körperpflege-Szene mit den feixenden Kerlen im Badezimmer wirkt eher albern. Gut hingegen, dass sie ihrer Erniedrigung durch den Diener Leporello in der Register-Arie ein eigenes Männer-Register entgegensetzt, wenngleich die Szene in Aktionismus endet. Als Drahtzieherin aller Aktionen, die sich gegen den Wüstling richten, folgt sie zudem ihrer eigenen Liebes-Agenda mit Leporello. Tanja Christine Kuhn singt das sehr zuverlässig und gestaltet es bezwingend.

Die dritte im Bunde, Bäuerin Zerlina, wird im gemeinsamen Liebesnest, das sie sich mit Bräutigam Masetto eingerichtet hat, von Don Giovanni verführt - szenisch ein bisschen plump im Vergleich zur raffinierten Musik des Duetts. Sooyeon Lee als kecke Kindfrau und Daegyun Jeong als etwas tumber Bauer sind passend besetzt, müssen aber weder szenisch noch musikalisch Bäume ausreißen.

So gut und durchdacht viele Handlungslinien dieser Inszenierung sind, so verwunderlich kommt etwa die fade Gestaltung von Don Giovannis Fest als Finale des ersten Akts daher - mitsamt der seltsamen Idee, dass er selbst die Masken austeilen lässt, mit denen er überlistet werden soll. Wenn am Schluss das Saallicht angeht, ist natürlich das gesamte Publikum Teil der (Fest-)Gesellschaft, schon klar. Im zweiten Akt verzichtet die Inszenierung auf den raschen Wechsel putziger Bühnenbilder und lässt alles in Don Giovannis etwas kargem Einheitsraum spielen. Die Schlussszene nach der Höllenfahrt entfällt: Kann man machen.

Mit Denis Velev verfügt die Produktion über einen wuchtigen, dominanten Helden, sein Leporello Morgan Moody passt gut in die Funktion des Nachfolge-Verführers. Auch Sungho Kim als Don Ottavio und Artyom Wasnetsov als Komtur sind eine Bank. Sie alle werden vom Dirigenten George Petrou mit raschen Tempi angetrieben, ohne dass es im hochgefahrenen Orchestergraben historisierend harsch zuginge: ein insgesamt überzeugender Ansatz, wenngleich die Fortepiano-Rezitative etwas geschmäcklerisch ausgeschmückt klingen.