Konzert mit Kostüm und Konfetti
Wer je eine Nacht in Venedig verbracht hat, der wird über den Karneval in Rom vermutlich eher lächeln. Das gilt zumindest für die gleichnamigen Operetten des Wiener-Walzerkönigs Johann Strauß, dessen 200. Geburtstag in seiner Heimatstadt ganzjährig gefeiert wird. Eine Produktion des weniger bekannten Fledermaus-Vorgängers Der Karneval in Rom gehört dazu: Als Koproduktion mit dem Aalto-Musiktheater hatte sie in Essen Premiere, am Pult der Essener Philharmoniker stand Guido Mancusi aus Wien.
Beim putzigen Verwirrspiel nach einem Theaterstück des Tosca-Autors Victorien Sardou bilden Tirol und Rom die attraktiv gegensätzlichen Schauplätze; der Karneval bietet vor allem den Anlass, möglichst viel buntes Treiben auf die Bühne zu bringen. Sofern es eine Bühne und eine Inszenierung gibt. Bei dieser Produktion ist das nämlich nicht der Fall, man hat sich für eine „semikonzertante Aufführung“ entschieden, bei der lediglich ein paar Kostüme, der Kronleuchter über dem Orchester und Konfetti zum Finale optisch für Farbe sorgen. „Das ist auch billiger“, sagt Professor Julius Bienenzeisel spöttisch: Die von Nikolaus Habjan geführte Puppenfigur eines alten Musikwissenschaftlers führt durch die Handlung, um unterhaltsam die Dialoge des Stücks zu ersetzen.
Natürlich lobt dieser Bienenzeisel brav die Essener Philharmoniker und ihr wienerisches Musizieren. Zurecht, denn unter der Leitung des Gastdirigenten bietet das Orchester ein bisweilen verblüffendes Plädoyer für die Künste des Komponisten, von den harmonischen Maskeraden der Ouvertüre über den stimmungsvollen Wechsel zwischen Polka, Marsch und Walzer bis hin zu den großen Ensembles, an denen auch der prächtige Essener Opernchor seinen Anteil hat. Wer nur in Strauß-Klängen schwelgen will, ist hier schon an der richtigen Adresse.
Essens Zauberflöten-Paar Lisa Wittig und Aljoscha Lennert darf inmitten eines feinen Ensembles mehr auf vokalen Effekt als auf lyrische Emphase setzen und macht das fabelhaft. Die Sopranistin singt facettenreich den Part der Marie, die in Tirol vom Nachwuchskünstler Arthur im Stich gelassen wurde und ihm nach Rom hinterherreist, um in Hosenrollen-Verkleidung die Dinge zu klären. Und ihr Tenorpartner ist als auftrumpfender Bonvivant ebenso glaubwürdig wie als reumütiger Rückkehrer. Für die wesentlichen Verstrickungen sorgt das Grafenpaar Falconi: Er, gesungen von Mykhailo Kushlyk, gestaltet Eifersucht mit schönen hohen Tönen; sie als kokettes Gegenstück zu Marie schmückt sich mit Koloraturketten: Erstaunlich, dass die souveräne Natalia Labourdette bei der Premiere vorab um krankheitsbedingte Nachsicht bitten ließ.
Dass da ein Grafenpaar agiert und mit Verwechslungstricks im nächtlichen Garten intrigiert wird, lässt natürlich auch an Mozart und seinen Figaro denken. Eine gewitzte Regie und eine fantasievolle Ausstattung hätten daraus gewiss einen runden Theaterabend machen können - es müssen ja gar nicht unbedingt Fledermaus oder Nacht in Venedig sein. In konzertanter Form hingegen verliert das Stück beträchtlich an Reiz, wovon auch viele leere Plätze bei der Premiere zeugten. Die anwesenden Zuhörer indes spendierten üppigen Applaus für die Musik.