Übrigens …

Der goldene Drache im Theater Hagen

In fremdem Land

Das ist eine ganz neue Sicht auf Theater: Das Publikum sitzt auf der Bühne und nimmt den Platz ein, der sonst den Agierenden vorbehalten ist. Søren Schuhmacher, der neue Chef des Theaters Hagen, will seinen Zuschauenden neue und spannende Einblicke in das Arbeiten am Theater eröffnen. Eine gute Idee, eingefahrene Rituale zu durchbrechen, in Frage zu stellen und „den Staub aus den Kulissen zu fegen.“

Das ist zumindest bei Julia Huebners Inszenierung von Peter Eötvös‘ Musiktheater Der goldene Drache absolut gelungen. Menschen, die sich an einem völlig neuen Ort befinden, sind automatisch verunsichert. So geht es auch dem chinesischen Jungen, der sich als illegaler Flüchtling aufgemacht hat, in der Fremde seine verschwundene Schwester zu suchen. Gestrandet ist er in einem der zahllosen China-Imbisse, arbeitet ohne Papiere. Als er Zahnschmerzen bekommt, kann er deshalb nicht zum Arzt gehen und stirbt letztlich.

Wie aktuell Roland Schimmelpfennigs Stück als literarische Vorlage ist, bezeugt ein Blick über „den großen Teich“, wo auf angeblich „Illegale“ regelrecht Jagd gemacht wird. Die Oper erfasst viele Aspekte menschlichen Lebens in Szenen, die an verschiedenen Orten spielen. Ausstatterin Iris Holstein benötigt für den Ortswechsel keinen Umbau. Sie stellt alle Räume nebeneinander auf die Bühne oder lässt sie als Video einspielen. Peter Eötvös grenzt die Räume voneinander ab, indem er jedem Ort eine individuelle Stimmung zuweist. Das geht von recht plakativer Beschreibung der Küchenarbeit bis zu getragenen Klangflächen, die dem Mädchen, das schwanger ist und dessen Leben völlig zerbricht, zugeordnet sind. Kleine individuelle Nuancen machen jede Figur einzigartig. Fünf Akteur:innen spielen und singen eine Unzahl von Rollen. Da hilft die Musik sehr, den Überblick zu behalten. Das Hagener Ensemble schafft es locker, jeder Figur gerecht zu werden und zeichnet sich durch ein harmonisches Miteinander aus.

Trotz aller tragischen Momente steckt im Goldenen Drachen viel Humor, den Julia Huebner in ihrer Inszenierung aufgreift. Huebner zeichnet Menschen, die von Emotionen bewegt werden und behält auch in großem Gewusel absolut den Überblick. Das Hagener Ensemble singt und spielt im goldenen Drachen großartig und beweist wieder einmal die Vorzüge von Ensemblearbeit. Nike Tieke, Angela Davis, Anton Kuzenok, Richard van Gemert und Kenneth Mattice zeigen sich von ihrer Schokoladenseite.

Steffen Müller-Gabriel und die Hagener Philharmoniker lassen die Partitur atmen und arbeiten auch feine „Kleinigkeiten“ heraus. Ein verheißungsvoller Saisonauftakt am Theater Hagen.