(Männer-)Freundschaften
Serge hat ein Bild des Malers Antrios gekauft. Für 200.000 Euro. Ein Ölgemälde von etwa einem Meter sechzig auf einen Meter zwanzig. Es ist weiß. Weiß mit weißen Querstreifen. So sieht Serges Freund Marc das Bild. Für Serge ist der Antrios nicht weiß. Er kann nicht verstehen, wieso Marc das anders sieht. Yvan, der letzte der drei Freunde, versucht zu vermitteln. Er steht kurz vor seiner Hochzeit und ist eigentlich damit beschäftigt. Schnell wird klar: Anhand des Bildes werden viel tiefergehende Konflikte unter den drei Männern ausgetragen.
Auf der Bühne im Wolfgang Borchert Theater ist zu Beginn eine ebene weiße Fläche zu sehen, etwas erhöht, mit mehreren hellgrauen, sich in der Mitte kreuzenden Linien. Aus eben dieser Fläche wird der Antrios entnommen. Eine schwarze Einbuchtung bleibt zurück, die den Mittelpunkt des Bühnengeschehens bilden wird. Dort befinden sich Attribute, die den jeweiligen Ort der Handlung sehr dezent, aber treffend charakterisieren – bei Serge etwa Oliven und Cognac, bei Yvan Pizzakartons und eine alte Socke. Regisseurin Tanja Weidner unterstreicht damit die Typen: den wohlhabenden Dermatologen Serge, den Ingenieur Marc und den von einem Job in den nächsten wechselnden Yvan.
"Kunst" wird ohne großes Bühnenbild inszeniert. Stattdessen sorgt die Beleuchtung dafür, dass den Zuschauenden nichts entgehen kann. So ist beispielsweise der Cashewkerne kauende und mit vollem Mund redende Marc zu sehen, der Essensreste in die Luft sprüht. Durch das Licht ist allerdings auch eine Struktur des Bildes zu erkennen und eine bearbeitete Leinwand. Die macht den Schwerpunkt der Inszenierung deutlich: es geht hier um Freundschaft und nicht um die Frage, was Kunst ist. Vor allem dieser Kombination aus schlichtem Bühnenbild und Licht ist es zu verdanken, dass die Inszenierung nicht zu einer Abrechnung mit zeitgenössischer Kunst wird.
Getragen wird das Stück von drei ausgezeichnet miteinander agierenden Schauspielern. Meinhard Zanger übernimmt die Rolle des Ingenieurs Marc. Gekonnt setzt er dessen Wutausbrüche in Szene und lässt sein Lachen mal hämisch, mal freundlich klingen. Auch Bernd Reheuser und Henning Kober stehen Zanger in nichts nach. Reheuser, der den Serge spielt, mimt die Figur des Kenners moderner Kunst, der über den Dingen schwebt. Süffisant und nach Bestätigung heischend lächelt er dem Publikum zu. Gleichzeitig verdeutlicht Reheuser aber auch seine Verletzbarkeit durch die Ablehnung seines Freundes Marc. Zanger und Reheuser gelingt es, die Aggressvität und Unversöhnlichkeit der beiden Freunde in kleinen Gesten auf die Bühne zu bringen. Dem vermittelnden Yvan gibt Hennig Kober Gestalt. Seine Mimik und Gestik spiegeln Unbehagen über die Konfliktsituation wider als auch den Stress, der ihm seine eigene Hochzeit bereitet. Es ist das Leiden an dem Streit zwischen den beiden anderen, das Kober so deutlich darstellt, dass man beginnt, unwohl auf seinem Stuhl hin- und herzurutschen. Am Ende des Stückes vertragen sich die drei Freunde, dennoch bleibt das Publikum mit dem unguten Gefühl zurück, dass dieses Ende auf einem sehr wackeligem Fundament steht.