Übrigens …

Fahrenheit 451 im KonzertTheater Coesfeld

Nicht sich dumm machen lassen!

Die Botschaft ist sonnenklar: lasst euch nicht verdummen von der Macht der Medien, von Werbung und was sie euch Rosiges verspricht. Denkt daran, dass ihr ein eigenes Gehirn habt, das zu eigenen Gedanken fähig ist und nicht im Kollektiv der Namenlosen und Dummgemachten versinken muss. Fahrenheit 451 von Ray Bradbury schlägt zivilisationskritische Töne an und appelliert an die Vernunft, so sie noch vorhanden. Bradburys Roman erschien 1953, hat also schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Und trotzdem ist er hoch aktuell – meint Regisseur Gil Mehmert, der Bradburys Roman für die Bühne eingerichtet hat. Die SchauBurg München gastierte jetzt damit im KonzertTheater Coesfeld und erntete riesigen Beifall.

Der Plot ist eher schlicht und spielt in einer Welt voller Menschen ohne reale Beziehungen, ohne unmittelbare Erfahrungen. Realität ist, was die Glotze zeigt. Das nennt sich dann „Fernsehfamilie“. Mildred, Montags Frau ist so eine Type – ständig umgeben von Berieselung. Montag selbst gehört einer „Feuerwehr“ an, die diesen Status quo aufrecht zu erhalten hat. Ganz unmittelbar. Überall, wo Bücher auftauchen, sind die Männer im Einsatz – um das gedruckte Papier und damit den in ihm aufbewahrten Schatz an Wissen in Brand zu stecken! Bei Fahrenheit 451 (oder 232 Grad Celsius) beginnt Papier Feuer zu fangen und zu verbrennen. Irgendwann bekommt Montag den „Dreh“ in die andere Richtung – ausgelöst durch seine Bekanntschaft mit Clarisse, der jungen Nachbarin. Sie liebt die Natur, sie fühlt, sie träumt. Sie öffnet Montag die Augen.

Lange Rede kurzer Sinn: Montag wechselt das Lager, beginnt Bücher zu lesen und zu lieben, findet in einem alten Professor einen Verbündeten, mit dem er einen subversiven Plan schmiedet: alle Feuerwehrleute sollen Opfer ihres eigenen Systems werden, indem man ihnen Bücher „unterschiebt“, sodass sie – ihrer eigenen Logik folgend - deshalb anschließend ein Raub der Flammen werden.

Montag selbst landet ganz am Ende bei einer Handvoll Versprengten. Menschen, die Bücher auswendig gelernt haben. So schöpfen sie Hoffnung, einst wieder Papier bedrucken zu können mit dem aufgespeicherten Wissen der Menschheit.

Gil Mehmerts Inszenierung spricht an, vor allem ein junges Publikum. Prägend sind zweifellos die auf die Bühnenrückwand projizierten Videos, Filme im Comic-Stil, die blitzschnelle Szenenwechsel zulassen. Die Wohnung von Montag, die Feuerwehr-Einsatzstelle, ein Wald, eine U-Bahn, eine Stadt im Regen... das ist toll gemacht. Toll auch die Musik von Bananafishbones, einer Trio-Formation, die mit Songs im Musicalstil der späten 80er Jahre die Geschichte kommentiert.

Ausgezeichnet wird gespielt: Markus Campana ist Montag, der sich glaubwürdig vom unreflektierten Mitläufer im Team der zündelnden Feuerteufel zum potenziellen Hüter des Wissens wandelt. Ein nachdenklicher Mensch, der seine Ansprüche an sich selbst noch nicht aufgegeben hat. Lucca Züchner ist das krasse Gegenteil: sie spielt die übertrieben naive und dümmliche Mildred, Montags Frau, die im Fernsehwahn versinkt – kann als schwärmerische, nachdenkliche Clarisse aber auch ganz anders und bezirzt mit ihrem Sinn für Natur und Menschlichkeit ihren Feuerwehrmann. Thorsten Krohn ist ein knallharter Truppenführer der Feuerwehr, schlüpft aber auch in die Rolle des mehr oder weniger resignierten und in der Vergangenheit lebenden Literaturporofessors Faber.

Die Bananafishbones komplettieren das Team der Darsteller. Aber natürlich machen Sebastian Horn, Peter Horn und Florian Rein auch lodernd züngelnde gute Musik. Lasst euch nicht verdummen – diese Botschaft gilt gerade auch im Twitter- und Facebook-Zeitalter.

Das KonzertTheater Coesfeld ist - mitten in der Woche - sehr gut besucht, das Publikum gemischt von Alt bis (viel) Jung. Vor fünf Jahren wurde die von der Ernsting Stiftung errichtete Spielstätte mit 641 Plätzen eröffnet und findet regen Zuspruch. Ein gutes Zeichen!