Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles
Lady Would-Be racconta la favola della volpe astuta – in elegantestem Italienisch, denn die Kurtisane wird von dem Schweizer Sprachtalent Marco Massafra gespielt. „Ich kann kein Spanisch“, entgegnet Celia. Kleiner Gag am Rande.
Davon gibt es serienweise in Sebastian Nüblings Inszenierung des selten gespielten Stücks von Ben Jonson. „La volpe“ ist im Italienischen „der Fuchs“, und „Volpone“ ist dessen Augmentativum, also ein großer Fuchs. Oder ein besonders gerissener… - An diversen Fuchs-Fabeln orientiert sich das Stück des Shakespeare-Zeitgenossen, insbesondere an der Fabel vom schlauen Fuchs, der die Aasgeier anlockt, die dann aber selbst gefressen werden. Bei Jonson stellt sich der wohlhabende Volpone nicht tot, sondern krank – tatsächlich aber ist er auf der Höhe seiner raffgierigen Tricksereien. All die Geier und Raben um ihn herum wollen ihn beerben und schmeicheln sich ein – da er ja scheinbar im Sterben liegt, überhäufen sie Volpone mit Geschenken, und im Gegenzug verspricht der einem jeden sein ganzes Vermögen – vorausgesetzt der Cash Flow stimmt und die Lieferkette wird nicht unterbrochen. Gold wird zur „Seele der Welt“, der Tresor zum Heiligenschrein. Volpone wird immer reicher, die anderen immer intriganter, und die Komödie nimmt ihren Lauf.
Erbschleicherei, Gier und Geiz, der totale moralische Verfall aus dem Geist der persönlichen Gewinnmaximierung – das trifft natürlich ins spätkapitalistische Herz und gibt mannigfach Gelegenheit zu aktuellen Bezügen, die die Inszenierung reichlich nutzt. Gelegentlich merken wir, wie schnell Aktualität ranzig wird: „Vollständige Transparenz“ wolle er herstellen, verspricht Volpone einmal, aber „was kann ich dafür, wenn meine Schwiegermutter immer die Hotelrechnung bezahlt?“ – Ach ja: zum Zeitpunkt der Premiere vor drei Monaten regten wir uns gerade über die eventuellen Vorteilsnahmen unseres damaligen Bundespräsidenten auf – dank Gomez, Gauck und Griechenland haben wir das längst vergessen. Wir lachen aber darüber, ebenso wie über die Anspielungen auf die Finanzkrise der Stadt Bochum, die Qualitätsdiskussion über das Bochumer Schauspiel („Früher wurde hier mal richtig gutes Theater gespielt“) und vieles anderes mehr. Eine Revuetreppe bildet die Bühne – passend zum unterhaltsamen Gag-Gewitter. Gespielt wird im gesamten Theaterraum: auf besagter Treppe, in den Fluren, im Parkett und auf den Lehnen unserer Sitze. Celia drückt einem glücklichen Herrn im Parkett einen Kuss auf die Wange; das Publikum wird aufgemischt, direkt angesprochen und zur Abstimmung gebeten: Würden wir den dicken Mann auf die Gleise schubsen, wenn dadurch der Zug aufgehalten würde, der sonst 200 Meter weiter fünf Arbeiter überfahren würde? – Es ist schon bannig was los in Bochum. Und doch…
Sebastian Nübling kennen wir als einen Regisseur, der seine Stoffe auf hohem intellektuellem Niveau durchdenkt und gleichzeitig mit großer Empathie und Gespür für Timing vorgeht. Diesmal aber wirkt seine Inszenierung bisweilen unfertig: wie eine Ideensammlung, rampengeil in die Runde geworfen, aber noch nicht zu einem harmonischen Ganzen verbunden. Die Satire bleibt ein wenig grob, die Komik recht prollig; eine künstlerische Veredelung ist allerdings, schaut man auf die Charakterzeichnung der Figuren, nicht gewollt. Oft jedoch kreisen die Schauspieler um sich selbst; dann fehlt der Rhythmus, es gibt jede Menge Leerlauf und man gewinnt den Eindruck, als suchten die Akteure gerade vergeblich nach dem Rückweg in die eigentliche Geschichte.
Dabei gibt es eine Menge, an dem wir uns erfreuen können: Amit Epstein hat die Personnage in höchst phantasievolle Kostüme gesteckt und aus Marco Massafra eine Edel-Kurtisane von hinreißender Schönheit gemacht. Tim Porath gibt die eigentliche Hauptfigur des Abends, Volpones Diener und Betrugs-Assistenten Mosca, irgendwo zwischen Johannes B. Kerner und Mario Barth, wobei er einem wie diese - allzu ausgiebig genossen - ziemlich auf die Nerven geht. Und Maja Beckmann, des dümmlich-naiven, begriffsstutzigen Machos Corvinos Gattin, erhält für ihre flatterhaften Flirts mit dem Publikum und ihr so peinliches wie lebensbejahendes Geschwätz zu Recht manchen Szenenapplaus.
Insgesamt aber wird Ben Jonsons Komödie mit ziemlich grobem Keil bearbeitet. „War das ein langweiliger Mist!“, bedauerte ein älterer Herr beim Verlassen des Hauses nach der Vorstellung. Ca. zwei Drittel des Publikums gaben ihrer begeisterten Zustimmung Ausdruck. Beide Auffassungen kann man vertreten…