Die wilden Schwäne im Studiobühne Köln

Kleines Wunder

„theaterszene europa“, das jährlich stattfindende Festival der Kölner Studiobühne, hat sich zu einem der interessantesten freien Theaterevents in NRW entwickelt. Seit 1987 werden Theaterarbeiten aus Deutschland und einer Gastnation, in diesem Jahr Schottland, eingeladen und in der Woche nach Pfingsten gezeigt. Das diesjährige Programm zeichnet sich durch Grenzüberschreitungen aus, Joint Ventures mit verschiedenen Genres. „Normalen“ Theateraufführungen werden Tanzperformances wie das Scottish Dance Theatre genauso gegenübergestellt wie Ausflüge in die Akrobatik (Bright Night International aus Glasgow) oder die Open-Air-Installation (Vision Mechanics aus Edinburgh).

Einen Schwerpunkt bilden dieses multimediale Performances. Fish & Game aus Glasgow versetzt den einzelnen, isolierten Zuschauer mittels I-Pad in die Erlebniswelt eines kleinen Mädchens, Invisible Playground aus Berlin untersuchen, offenbar von Computerspielen inspiriert, Städte als lebende Organismen und entwickeln daraus partizipative Mikroprojekte und das post theatre (New York/Berlin/Tokyo) zeigt eine multimediale Tanzperformance über „C A F F E E“.

Ein selbst auf diesem wilden Festival eher im Dunkeln glänzendes Juwel sind Die Wilden Schwäne von der in Düsseldorf gegründeten und in Berlin ansässigen Gruppe Candlelight Dynamite. Hierbei handelt es sich um eine Art Live-Hörspiel mit jeder Menge optischer Gimmicks.

Vorlage ist ein Märchen von Hans-Christian Andersen, das der vor allem durch seine Shakespeare- und Tschechow-Übertragungen bekannte Dramatiker Thomas Brasch poetisch und mit sanfter Ironie bearbeitet hat. Nadine Geyersbach, Denis Geyersbach und Bastian Sierich erzählen mit zwei Mikrofonen, etlichen Musikinstrumenten, Masken, Perücken, Zwiebeln, He-Man-Puppen und sonstigem Kleinkram, jeder Menge Bastelarbeiten und noch mehr Phantasie die Geschichte von den elf verfluchten Brüdern und der einen Schwester mit den schönen Haaren, die ihnen zur Erlösung Hemden aus Brennnesseln anfertigt. Wind und Meer spielen genauso mit wie ein einäugiger Erzbischof, die obligatorische böse Stiefmutter, ein alter, vertrottelter und ein junger, unsicherer König. Es wird musiziert, gesungen und getanzt, erzählt, jugendfrei gespritzt und geblasen. Und einen richtigen Abspann gibt es auch. Das Ergebnis ist prickelnde, wirklich witzige und manchmal berührende Unterhaltung vom allerfeinsten, wie ein hochwertiger nicht zu alter und nicht zu schwerer Weißwein; ein lebenslustiges Wühlen in den Mitteln des Theaters, das süchtig machen kann. Wer das auch mal erleben möchte, kann sich unter www.candlelightdynamite.wordpress.com über Möglichkeiten informieren.