Noch immer beklemmend
Szenen einer Ehe - dieser Titel der Bühnenadaption des bekannten Ingmar-Bergman-Films am Sachsenring-Theater wirkt nach der tagesaktuellen Nachricht, dem Kölner Opernintendanten Uwe Eric Laufenberg sei von der Stadt fristlos gekündigt worden, auf beklemmende Weise ironisch. Nun ist also nicht länger daran zu glauben, diese krisenhafte Beziehung ließe ich womöglich doch noch kitten und gedanklich neu ausrichten. Dabei war die Kölner Ehe wesentlich kürzer als die zehnjährige der Rechtsanwältin Marianne und dem Naturwissenschaftlicher Johan. Bei allen sogleich anhebenden Sticheleien und Anzüglichkeiten wirkt sie am TaS entschieden stabiler und zugewandter als der Film von 1973 sie schildert. Seine emotionalen Aggressionen kann man sich, sofern verlässliche Erinnerung fehlt, andeutungsweise bei Youtube vergegenwärtigen.
Die über den Verlagstext hinausgehende hauseigene Fassung am Sachsenring erlebt man zumindest zeitweilig fast wie eine Komödie, was durch Joe Knipps elegante, schwerelose Inszenierung und ein helles Bühnenbild (dem Vernehmen nach, wenn auch nicht offiziell erwähnt von Hannelore Honnen) unterstrichen wird, welches lediglich aus zwei Stühlen, kleinem Rundtisch und schwarzem Pult besteht. Zwar offenbart der teilweise süffisante Dialog schon sehr bald kleinere Beziehungsrisse und emotionale Gefährdungen, kulminierend in der Diskussion um ein weiteres Kind. Aber alleine die mit boulevardesken Untertönen angereicherte Darstellung der Marianne durch Aurélie Thépaut (Köln-bekannt, aber erstmals am TaS) gibt der Figur sympathischen Schwung und eine Leichtigkeit, aus welcher Verzweiflung dann umso eruptiver hervorbricht. Im Film wurde Marianne von der wesentlich „erdigeren“ Liv Ullmann verkörpert.
Bestechend ist bei alledem, dass Aurélie Thépaut stets eine enorme sprachliche Disziplin wahrt, sich in ihren Ausbrüchen also nicht verliert oder „verheddert“. Das ist nämlich bei Richard Hucke als Johan verschiedentlich der Fall, was umso mehr verwundert, als er durch eine umfangreiche Rundfunktätigkeit rhetorisch einschlägig geschult ist. Und eine gewalttätige Bedrohlichkeit, wie sie bei Bergman Erland Josephson an den Tag legt, kommt bei ihm höchstens ansatzweise durch (trotz der einen Ohrfeige, die seine Partnerin übrigens allzu sanft erwidert). Das Zerrissene, Verzweiflungsvolle, das schuldbelastete Geständnis seines Verhältnisses zu einer Jüngeren (es geht sehr bald schief) bringt Hucke hingegen überzeugend zur Geltung.
Die Inszenierung des Hausherrn Joe Knipp bezwingt durch eine wechselhafte Beleuchtung der Stimmungen bei diesem Paar, welches durchaus anders geartet ist als etwa Martha und George in Edward Albees Wer hat Angst vor Virgina Woolf. Von der zerstörerischen Intensität bei Bergman indes hält sich die Aufführung einigermaßen fern. Dass die Theaterfassung einige Figuren des Films eliminiert, hängt damit aber kaum zusammen.
Andererseits greift sie auf einen anderen Bergman-Film zurück, nämlich Sarabande, In ihm wird mit den gleichen Darstellern (Ullmann, Josephson) ein Wiedersehen nach 30 Jahren geschildert. Diese Begegnung ist am TaS zu einer knappen Finalszene komprimiert, in welcher Marianne und Johan spüren lassen, dass trotz aller Wut, Verachtung und emanzipatorischem Behauptungswillen noch viel von einstiger Zuneigung übrig geblieben ist. Im Film fällt der kaum voll auszuschöpfende Satz „Es hat uns noch niemals jemand gesagt, was Liebe ist“.
Das Theater am Sachsenring feiert in diesem Jahre sein 25jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum ist umso nachdrücklicher zu erwähnen, als das Haus in der Kölner Südstadt (in fast unmittelbarer Nachbarschaft zum Theater der Keller und dem Freien Werkstatt Theater) Ende 2009 vor dem Aus stand, nachdem bereits 2005 Fördergelder fortgefallen waren, wohl auch, weil das städtische Kulturamt den Stil des Hauses als zu „altmodisch“ (Knipp) empfand. Aber seit März 2011 geht es wieder weiter, vertraute Autoren halten dem Theater die Treue. An Geld fehlt es weiterhin, doch Joe Knipp ist und bleibt überzeugt davon, dass Stil, Dramaturgie und Repertoire seines immer gut frequentierten Tiefgeschoss-Theaters angemessen sind. Die Erlaubnis, Getränke und Knabberzeug mitzunehmen, trägt zu familiärer Atmosphäre bei. Dass während der besuchten Vorstellung auch iPhones im Zuschauerraum ungeniert in Aktion traten, ist freilich eine Unsitte, welcher man wehren sollte.