Übrigens …

African Moon im Theater Krefeld

Afrika – durch die westliche Brille gesehen

Gabriel Gbadamosi, Brite mit nigerianisch-irischen Wurzeln, hat African Moon eigens für das Theater Krefeld/Mönchengladbach geschrieben. Im Zentrum des Werks steht die Frage: was für ein Verhältnis hat Europa bzw. Deutschland zu Afrika? Warum werden Afrikaner hierzulande als Fremde gesehen?

Die Protagonisten in Gbadamosis Stück sind allesamt weiße Europäer, die es aus dem einen oder anderen Grund nach Afrika, an einen geographisch nicht näher bestimmten Ort, verschlagen hat.

Onkel Paul (Dr. König) wanderte vor Jahren aus, um dort ein Krankenhaus und ein neues Leben aufzubauen. Seine damals neunjährige Nichte Amy schrieb ihm über die ganze Zeit Briefe, in denen sie ihm alle ihre Gefühle mitteilte. Er antwortete nie – und wurde doch zu einer Art idealisierter Vaterfigur für sie. Afrika schien in ihrer Phantasie ein Paradies zu sein, ein Garten Eden. Nach Amys Tod reist nun ihre Lebensgefährtin Nora an ihrer Statt nach Afrika, um König zur Rede zu stellen und um Amys Traumvorstellung vom „dunklen Kontinent“ nachzuspüren. Sie wird von drei dort lebenden Europäern, deren Wünsche und Ideale längst geplatzt sind, brutal mit der afrikanischen Realität konfrontiert.

Matthias Gehrt inszenierte African Moon in dem mehr intimen Rahmen der Fabrik Heeder in Krefeld. Die Bühne ist bedeckt von einem großen roten Kreuz als Andeutung des Krankenhauses. Ein paar Plastikstühle und eine Batterie von Whiskyflaschen komplettieren das minimalistische Bühnenbild. Von der Decke hängen auf verschiedenen Höhen Lautsprecher herab, aus denen es beständig zirpt. Zusammen mit dem eher gelbgrünen Licht erzeugt diese Klangkollage höchst effektiv den Eindruck, man sei mitten im Urwald.

Der Beginn ist vielversprechend. Nora (Marianne Kittel: blond, mit Sommerkleid, Trenchcoat, Rollkoffer und Tüte aus dem Duty Free-Shop) ist gerade in Afrika gelandet und teilt jemandem aufgeregt über Handy mit: „Ich bin in Afrika und alle Menschen hier sind schwarz. Das muss man gesehen haben“. Schnell macht dieser Enthusiasmus einer Ernüchterung Platz, als sie in Königs Urwaldhospital ankommt. Dr. König, der dubiose Leiter der Klinik, wird von Joachim Henschke unendlich kostbar gespielt. Jede Handlung, jeder Satz wird bedeutungsvoll demonstriert bzw. deklamiert. Was auf die Dauer zwar das Bild eines frustrierten Zynikers, der primär mit sich selber beschäftigt ist, glaubhaft auferscheinen lässt, was aber auch im Laufe des Abends an Effektivität verliert. Warum er bei seinem ersten Auftritt aus dem Nebel der Hinterbühne ein Skelett auf die Spielfläche wirft, bleibt ein Rätsel. Sein Mitarbeiter, Pfleger Martin (Christopher Wintgens im schlabberigen Ethnolook), tapst unglücklich über die Bühne und greift gern zur Flasche. Hat er doch abgelaufene Medikamente an Afrikaner verkauft, mit verheerenden Folgen: Kinder wurden in ihren Bewegungen bis zur Apathie verlangsamt, ein Symptom, was man mit „African Moon“ bezeichnet. Und – last but not least – ist da der kernige Journalist David (Felix Banholzer), der im Biker-Outfit auf dem Motorrad durch Afrika reist, momentan auf der Suche nach dem Medikamentenskandal. Nüchtern teilt er Nora mit, dass die afrikanische Gesellschaft „ohne Multikultischeiß“ funktioniere.

Das Stück behandelt durchaus aktuelle Probleme – so den zweifelhaften Handel mit überalterten Medikamenten in Dritte-Welt-Ländern, so die skrupellose Haltung mancher Europäer gegenüber der einheimischen Bevölkerung dort und – über alle Grenzen hinweg geltend – der quälende Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen. Leider geht zuviel davon an Präsenz verloren, wenn allzu oft Emotionen ausgespielt werden. Berührend die Szenen, in denen Nora und Paul sich punktuell in ihrer Trauer um Amy näher kommen, um dann wieder auseinander zu driften (Nora voll Wut: „Sie waren nicht da, Sie sind einfach abgehauen“). Aussagen wie die von Paul („Der Tod ist … immer sehr unfreundlich“) bewegen jedoch nichts.

Ein interessanter, streckenweise durchaus packender Abend, dessen anfängliche Spannung leider nicht bis zum Ende reicht.