Übrigens …

König Richard der Dritte im Bochum, Schauspielhaus

Ist es möglich, genial und zugleich böse zu sein?

Das Schauspielhaus Bochum eröffnete die Spielzeit 2012/13 mit dem Königsdrama Richard III. in der Fassung von Roger Vontobel und Thomas Laue.

Vontobel erzählt an diesem fast vierstündigen Abend nicht nur die Geschichte des genialen Bösewichts Richard, sondern spannt – wie schon in seiner Labdakiden-Produktion – den Bogen weiter, indem er einige Szenen aus Heinrich VI., dem dreiteiligen Zyklus über die Rosenkriege einbezieht. Durch die Erzählung einer Vorgeschichte will er Richard in einem anderen Licht erscheinen lassen bzw. ihn als einen Charakter skizzieren, den eine gewalttätige Gesellschaft geprägt hat.

Der Faust-Preisträger Paul Herwig ist ein überaus präsenter, wendiger, brutaler Richard, alle Mittel nur auf sein Ziel (er will König werden) gerichtet. Nicht äußerlich deformiert, wie Shakespeare ihn entwarf. Wohl aber innerlich, unfähig zu Gefühlen für andere. Mit Heuchelei, skrupellosen Intrigen und strategischem Geschick bahnt er sich unaufhaltsam den Weg zum Königsthron (getreu dem Motto: „Ich achte nichts“). Alle, die vor ihm einen dynastischen Anspruch auf die Krone haben, werden brutal gemeuchelt. Herwigs brillante Verkörperung dieser Rolle steht zweifellos im Zentrum des Abends.

Dieser beginnt mit dem letzten Teil der Heinrich-Trilogie. Roland Riebeling gibt einen schwachen, zaudernden Heinrich VI., der von seiner überaus ehrgeizigen Frau Margaret hart angegangen wird. Jana Schulz spielt sie intensiv und überzeugt sowohl als Königin wie auch später, als sie immer wieder ins Geschehen eingreift, nicht minder aggressiv nach der Macht strebend wie Richard.

Noch in der ersten Szene, die auf der Vorderbühne spielt und mit wenigen Klappstuhlreihen auskommt, die an alte Theater- oder Kinobestuhlung erinnern, stürmen von hinten aus dem Zuschauerraum der alte Herzog von York (Werner Strenger) und seine drei Söhne (Felix Rech, Florian Lange, Paul Herwig) nach vorne. Letztere tragen Kniebundhosen und sportive schwarze Shirts mit einem hellen „Y“: „Wir sind die Yorks!“ Sie fordern die Krone und der schwächelnde Heinrich gibt nach – unter der Bedingung, dass er König bleibt, solang er lebt.

Als sich der Vorhang öffnet, werden wir Zeugen einer Party in einem Ballsaal: zehn Jahre Kronjubiläum von Eduard IV. sind zu feiern –  Heinrich überlebte den Kompromissdeal nicht lange. Man tanzt im Diskostil, der königliche Nachwuchs erscheint in englischer Schuluniform. Richard beobachtet und spinnt seine Intrigen. Er, das rhetorische Genie, wechselt wie ein Chamäleon die Facetten je nach Bedarf, scheut vor keiner Bluttat zurück, auch nicht vor dem Mord der kleinen Prinzen im Tower oder auch der Ermordung der eigenen Ehefrau. Zuweilen drischt er wie ein Wahnsinniger auf ein Schlagzeug ein, um sich Luft zu machen.

Jutta Wachowiak spielt Richards Mutter ergreifend – sieht sie doch klar, welch Monster ihr Sohn ist und wie wenig sie tun kann, außer ihn zu verfluchen.
Vontobel benutzt Videoeinspielungen auf den hölzernen Seitenwänden, die alle Szenen zeigen, die in der Außenwelt spielen, so die Kerkerszenen.
Als Richard endlich sein Ziel erreicht hat, wird er von seinen Verbrechen eingeholt. Vontobel gelingt ein starkes Bild, wenn er alle Opfer Richards mit erstarrten Gesichtern - an eine Armee von Geistern erinnernd – antreten lässt und diese dann Richard zu Boden ringen und ihn unter sich begraben.

Margaret hält den Schlussmonolog nach dem Tod des Tyrannen. Fraglich, ob von ihr Frieden zu erwarten ist.

Ein ungemein beeindruckender Abend mit brillanten Akteuren. Auch die Nebenrollen waren sehr gut besetzt. Ein Abend, der auch zeigt, dass bestimmte Spiele der Mächtigen mit ihren durch Angst deformierten Untertanen sich bis heute in ihren Grundelementen nicht geändert haben, denken wir nur an die Lage in Syrien.