Übrigens …

Achtung deutsch im Köln, Theater am Dom

Deutsche Familie, frei nach Realität

In die 68er Jahre kann man die Wohngemeinschaft in Achtung deutsch von Stefan Vögel sicher nicht ansiedeln, aber ganz schön wild geht es schon zu. Und noch chaotischer wird es, als „Oberhaupt“ Henrik für einige Zeit in den Skiurlaub verschwindet und nicht mehr seine ordnende Hand über die Rasselbande halten kann. Immerhin: auch der Syrer Tarik ist ein ganz vernünftiger Junge, der die anderen in Zaum zu halten versteht. Als da sind: die kapriziöse und immer liebeshungrige Französin Virginie, der leicht exaltierte Italiener Enzo sowie der stets nölende Österreicher Rudi. Der Autor lässt sie erst einmal alle Revue passieren - dies der vergnügliche Auftakt seines Stücks.

Das eigentliche „Drama“ hebt dann mit einem Brief der Wohnungsbaugenossenschaft an. Die Obrigkeit geht von einer Familie mit zwei Kindern aus, wie es im wohl etwas schief gelaufenen Mietvertrag steht. Da Nachfragen allem Anschein nach nicht beantwortet wurden, wird ein Mitglied der Genossenschaft angekündigt, der vor Ort einmal nach dem Rechten sehen soll. Allen fährt der Schrecken in die Glieder. Falls die wahre Situation bekannt wird, droht Mietkündigung; Tarik möglicherweise sogar die Abschiebung. In dieser Not stürzen sich die Vier in ein gewagtes Spiel: sie werden die fiktive Familie einfach spielen. Tarik, perfekt Deutsch sprechend, wird einen typisch deutschen Pascha mimen, Virginie das duldsame Hausmäuschen geben. Enzo mutiert zum illegitimen Sohn von „Henrik“, Folge eines lange zurückliegenden Flirts mit einer mediterranen Nutte. Aus Rudi, der ja nie die Klappe halten kann, wird sein stummer Bruder. Beim Einstudieren der Rollen wird das typisch „Deutsche“ gesucht, untersucht und versucht. Vieles läuft erst einmal schief und muss „verbessert“ werden, was dem Autor viel Gelegenheit gibt, leicht kölnisch gewürzte nationale Eigenheiten durch den Kakao zu ziehen. Die Regie von Jochen Busse zieht daraus so manchen Nutzen.

Dann taucht hochoffiziell Herr Jochen Reize von der Genossenschaft auf, beamtenkorrekt vom Scheitel bis zu Sohle. Er lässt die rüpelige Kumpelhaftigkeit des „Hausherrn“ pikiert über sich ergehen, wird durch den Charme der Würstchen bratenden Gattin aber mehr als versöhnt. Und in die beiden Jungs verguckt er sich regelrecht. Bald gesteht er, dass er selber in keiner solch wundervollen Familie aufgewachsen sei und eine unglückliche Jugend hinter sich habe. Seufz, seufz. Aber hier und jetzt fühlt er sich wohl und wohler. Den anderen geht langsam die mimische Luft aus. Als dann auch noch Henrik zurückkehrt, der die ganze Situation natürlich nicht begreift, fliegt der Schwindel auf. Aber Herr Reize verabschiedet sich auf zwar etwas unerwartete, aber sehr reizende Weise. Er habe die Familie wie in den Unterlagen beschrieben vorgefunden und werde entsprechend berichten. Ein Beamter mit Herz - und so mancher Sehnsucht. Dass auch noch der plumpe und geile Nachbar Schröder aus dem Feld geschlagen werden kann und sich Virginie und Tarik in Liebe finden, gehört ebenfalls zum unverzichtbaren Happy End.

Diese Chaos-Komödie (der Autor spricht von „Multi-Kulti-Komödie“) darf sich ruhig ein paar Übertreibungen und Unwahrscheinlichkeiten erlauben - das gehört einfach zur Boulevard-Dramaturgie. Jochen Busse, der als Darsteller Selbstironie perfekt beherrscht, lässt diese Fähigkeit auch in seiner Inszenierung spüren. Vergnüglich, vergnüglich, und auch in frivolen Momenten nicht peinlich. Dafür sorgt auch eine prachtvolle Riege junger Schauspieler: Navid Akhavan (Tarik), Clara Cüppers (Virginie), Matthias Kofler (Rudi) und Nico Venjacob (Enzo). Frank Büssing poltert als Schröder durch das ganze Wirrwarr, Joachim Hermann Luger darf als Herr Reize auch mit Zwischentönen aufwarten. Der Premierenbeifall zeigte: diese Komödie ist bestens angekommen.