Die Räuber im Theater Münster

Wie aus einem Guss

Was für ein Fiesling! Er bröselt Erde über den noch nicht toten Vater und gibt so das Zeichen, ihn quasi lebendig zu vergraben. Dabei kann Franz Moor auch ganz anders: höflich kann er sein, schmeicheln kann er und umgarnen. Wie aus einem Egomanen eine Bestie wird, das zeigt Frank Behnke im Theater Münster. Dort kommen Schillers Räuber unheimlich lebendig, mit viel Verve und voller Leben daher. Wie daraus Lebensüberdruss werden kann, zeigt Behnke am Räuberhauptmann Karl Moor, der in Blut watend Gutmensch bleiben will und letztlich an den Erwartungen der anderen an ihn scheitert.

Behnke scheut sich nicht, diese Räuber ganz in der Gegenwart zu verorten und spart dabei nicht mit Aktualisierungen - so kommt Occupy genauso vor wie der Schlossplatz in Münster (hier gab es eine breite öffentliche Debatte um die Abschaffung der Bezeichnung „Hindenburgplatz“ und Umbenennung in „Schlossplatz“). Aber das wirkt nie aufgesetzt oder überzogen. Und immer wieder nette Witze wie das Erinnerungsfoto Kosinskys mit der Räuberbande – brav festgehalten im Speicher der Digitalkamera. Lachen ist eben auch bei Schiller erlaubt.

Günter Hellweg baut eine schiefe Ebene auf die Bühne, die fast bis ins Publikum reicht und auf der die Akteure mit unermüdlicher Energie sich bewegen und durch die Nähe auch immer wieder den unmittelbaren Kontakt zum Zuschauerraum suchen. Das verzweifelte, fast hyperaktive Anrennen der kraftvollen jungen Menschen gegen gesellschaftliche und familiäre Fesseln wird fast körperlich erfahrbar. So entsteht ein Theaterabend wie aus einem Guss, der durch die Musik von Malte Preuß zusammengehalten wird und einen Rahmen bekommt.

Und das neue Schauspielensemble gibt sein Bestes: Karls Räuberkumpane agieren vital, aber nicht uniform; jeder bekommt ganz individuelle Züge. Hervorragend Florian Steffens: sein Franz Moor zeigt die ganze Bandbreite der Charaktereigenschaften des Bösewichts. Da graut es einem - aber auch, weil wir ein klein wenig von Franz auch jeden Tag im Spiegel sehen.

Dennis Laubenthal legt den Karl eher dunkel-grüblerisch an und Maike Jüttendonks Amalia verfällt von schwärmerischer zärtlicher Liebe in Fundamentalismus. Karl soll zum Heilsbringer werden: Eine Forderung, die er nicht erfüllen kann.

Das Publikum ist schwer begeistert. Endlich wieder Leben in Münsters Großem Haus.