Übrigens …

Schiefergold im Wuppertal, Schauspielhaus

Sperrmüll und Spaß

Es ist ein Theaterabend, der fast alles sein will: poetisch, witzig und sozialkritisch, Volksstück, Groteske und absurdes Theater, Hommage an die Heimat und distanzierendes Miniatursittengemälde. Die Geschichte ist eine Anhäufung von Stereotypen und Klischees, die zudem zum Ende hin dramaturgisch zerfasert – aber sie ist gut erzählt. Und sie funktioniert.

Eine namenlose, mittelgroße Stadt, nennen wir sie Wuppertal, scheint von Fortschritt und Wohlstand abgekoppelt. Geld, Mode und beautiful people werden nur noch anderswo gesehen. Außerdem regnet es andauernd. Der Bürgermeister will eine Wahl gewinnen. Er will auf einem Grundstück mitten in der Stadt eine teure Schönheitsklinik bauen und sie der Stadt als soziale Wohltat verkaufen. Investoren stehen Schlange. Aber auf dem Grundstück befinden sich denkmalgeschützte Bauten, zumal ein modernes Mosaik, eine Art Ikone der Arbeiterbewegung. Und es wohnen Rentner da zur Miete. Die wehren sich. Und der politische Gegner kommt dahinter. Haarsträubende, aber gerade in unserer Zeit plausibel wirkende Intrigen entspinnen sich, auf deren Höhepunkt ein Tapir aus einer Seilbahn auf das Mosaik fällt und von den Rentnern an Kindes Statt angenommen wird. Am Ende kommt eine reiche jüdische Erbin, deren Familie das Grundstück bis in die 30erJahre gehört hat als Dea ex machina – und am (blöd aufgesetzten) Ende sind alle irgendwie zufrieden.

Monika Frenz schlägt für diesen Wirrwarr das kleine Schauspielhaus weiß aus und errichtet eine Art Skulptur aus Sperrmüll für die Rentner. Julia Penner, selbst Wuppertalerin, hat den Uraufführungstext der vermutlich belgischen Autorin Chloe Cremer, der vermutlich eigentlich auf die Industriestadt Charleroi gemünzt ist – Infos über die Autorin sind schwer zu bekommen – mit Anspielungen geschickt auf Wuppertal zubewegt. Sie lässt flüssig sprechen, erfindet skurrile Figuren und lässt die zwölf Rollen von nur vier Schauspielern spielen, die jeder eine „Umzugsstation“ am Bühnenrad haben, wo sie offen die Figuren wechseln. Das Ganze bekommt so eine angenehm improvisierte, aber auch etwas flüchtige, oberflächliche Gestimmtheit.

Holger Kraft beeindruckt als jovial bodenständig perfider, aber nachvollziehbarer Bürgermeister mit Bauernfängerqualitäten. Gregor Henze ist ein witzig-wirrer Rentner und ein rührend lebensferner Architekt. Außerdem beeindruckt er mit Musikalität wie Sina Ebell mit sehr klar abgesetztem, minimalistisch gearbeiteten Rollenporträt. Dazu kommt Silvia Munzon Lopez als sehr holzschnittartig geführte Erbin und Rentnerin, aber auch als sehr heutige und zum Schluss auch innige Investorin, die eigentlich nur jung, reich, schön und bemannt sein will.