Wer in der Gesellschaft etwas darstellen will, der muss tun, was die anderen tun. (Goldoni)
Die Trilogie der Sommerfrische, 1761 geschrieben, umfasst drei eng zusammengehörende Komödien (Die Gier nach der Sommerfrische, Die Abenteuer in der Sommerfrische, Die Rückkehr aus der Sommerfrische), die fast den drei Akten eines Schauspiels nahe kommen.
Landaufenthalte waren im 17. Jahrhundert zu einer wahren Manie reicher Patrizier- und Bürgerfamilien Venedigs geworden. Im Sommer und im Herbst, eben zur Ferienzeit, verließen sie die Stadt und lieferten sich auf dem Lande wahre Wettkämpfe von Eleganz und Prunk. Goldonis Personen gehören zu dieser Gesellschaft, die ihre eigenen Bräuche und Gesetze hat, in der das „Auftreten“ in einer schillernden, kostspieligen Aufmachung wichtiger ist als das schlichte „Sein“. Man fährt nicht in die Sommerfrische, um sich vom anstrengenden Stadtleben zu erholen, sondern um mit der prunkvollsten Ausstattung und der großzügigsten Gastfreundschaft die anderen auszustechen. Was bedeutet schon der eigene wirtschaftliche Ruin, wenn man nur die Nachbarn an Pomp übertreffen und den Gästen Laute des Entzückens entlocken kann? Alle Beteiligten sind Sklaven dieser Konvention, der auch die Gefühle nur allzu oft zum Opfer fallen. So wimmelt es in Goldonis Komödie von mittellosen Mitgiftjägern, habgierigen Hasardeuren, leidenschaftlich Liebenden und betrogenen Verlobten.
Christian von Treskow inszenierte die Trilogie der Sommerfrische an den Wuppertaler Bühnen opulent, spritzig und äußerst temporeich, wobei viele Elemente der Commedia dell’arte aufgenommen wurden. Rokoko-Kostüme, hohe Perücken und die dick geschminkten Gesichter erinnern an die Entstehungszeit des Werks. Im 1.Teil sehen wir im Bühnenhintergrund eine Art Amphitheater mit Rundbögen und großer Treppe, die zu akrobatisch anmutenden Kletterpartien Anlass gibt. Leonardo (Heisam Abbas), ein junger, nicht gerade vermögender Marchese, erscheint als erster auf der Bühne, um seinem Bediensteten kostspielige Bestellungen für den Landaufenthalt zu geben, wohl wissend, dass ihm die Mittel eigentlich fehlen. So hofft er umso mehr, trotz seiner miserablen finanziellen Lage doch noch die kapriziöse Giacinta (hervorragend als verwöhnte und durchaus emanzipierte Tochter aus reichem Hause: Hanna Werth) oder vielmehr die mit ihrer Person verbundene Mitgift heiraten zu können. Leonardos Schwester Vittoria (Juliane Pempelfort) hat nur die Sorge, dass ihr Schneider ihr rechtzeitig die neueste Kreation der aktuellen Mode, eine „Marriage“, zukommen lässt, mit der sie die Konkurrentinnen ausstechen will. Der wohlhabende Filippo (Jochen Langner) behält immer die Ruhe, während die anderen Akteure hektisch und aufgedreht über die Bühne wieseln, was nur mit einer ausgeklügelten Choreographie möglich sein kann, um Zusammenstöße zu vermeiden. Markus Haase überzeugt als der aufdringliche Parasit Ferdinando, der jeden Klatsch aufgreift und mit der reichen Witwe mit Rollator (Julia Wolff) poussiert. Der sauertöpfische Fulgenzio (Thomas Braus, mit spitzem Kinn und spitzer Nase, gibt ihn fast wie Graf Dracula in der Polanski-Verfilmung) ist der einzige, der rechnen kann und der dem unglückseligen Leonardo helfen will. Wen immer er anspricht, den lässt er in einer Rauchwolke stehen.
Im 2. Teil sehen wir das Amphitheater von hinten – eine schlichte Sperrholzkulisse. Ferdinando, zynisch und berechnend, macht aus seinen egoistischen Absichten keinen Hehl und verspottet die anderen. Die Liebeshändel nehmen kein glückliches Ende, nur das junge, naive Paar Tognigno (Hendrik Vogt) und Rosina (Anne-Catherine Studer), die von der feinen Gesellschaft als Trottel belächelt werden, finden zueinander.
Im Schlussakt sieht das Bühnenbild schon recht verwittert aus. Die Schauspieler erscheinen ohne Perücken und glanzvolle Kleidung und wirken reichlich zerrupft. Das Leben auf Pump fordert seinen Preis, Verzweiflung macht sich breit.
Giacinta dankt beim letzten Abgang der Sparkasse Wuppertal für die Unterstützung, welche die städtischen Kürzungen abpufferte. So ein fulminanter Abend, der souverän die Glanzlichter dieser Komödie mit zahlreichen gut gelaunt spielenden Akteuren realisiert, wird in der Zukunft kaum noch möglich sein. Julia Wolff verlas – nach dem verdienten Applaus für Regie und Ensemble – einen glühenden Appell gegen die beschlossenen radikalen Kürzungen für das Wuppertaler Schauspiel.
Die Intendanten von Schauspiel und Oper, Christian von Treskow und Johannes Weigand, bekamen keine Vertragsverlängerung über 2014 hinaus. Das Ensemble des Theaters soll von vierzehn auf sieben Schauspieler und Schauspielerinnen reduziert werden. In der Spielzeit 2013/2014 soll es nur vier Schauspielpremieren geben. Die Nebenspielstätte des Schauspiels wird geschlossen.
Stehende Ovationen und Bravorufe waren sicherlich für alle auf der Bühne Stehenden (auch die sonst nur im Hintergrund Wirkenden hatten sich dazu gestellt), eine moralische Unterstützung. Es bleibt jedoch offen, ob diese einschneidende Reduzierung der Theaterlandschaft aufzuhalten sein wird.
Vor zwei Jahren gab es in Wuppertal einen bundesweit beachteten Kampf um das Theater. Bürger, Prominente und andere Theater der Region unterstützten die Wuppertaler Bühnen tatkräftig und pressewirksam. Jetzt wäre es wieder dringend nötig, Protest anzumelden. Und nicht den Sparfüchsen das Ruder zu überlassen.