Übrigens …

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm im Köln, Theater im Bauturm

Theaterleute unter sich

In den Ernst-Lubitsch-Film To be or not to be probt eine polnische Schauspielertruppe in den Jahren um 1940 ein Stück, in welchem Hitler vorkommt. Der Adolf-Darsteller, welcher sonst immer nur in Hamlet stumm einen Speer tragen darf, wähnt sich dank seiner passenden Physiognomie im Karriere-Aufwind. Aber der Regisseur mäkelt an seinem Outfit. Da stürmt der Schauspieler auf die Straße. Die Passanten erstarren, der Mann hat endlich seinen Erfolg. Wie spielt man eigentlich AH, laut Lubitsch-Film eigentlich nur eine „Mann mit Schnurrbart“. Charlie Chaplin karikierte, Helge Schneider menschelte, Bruno Ganz spielte präzise psychologisch (Der Untergang).Auf ihn bezieht sich fraglos die Figur des Franz Prächtel, der in Theresia Walsers Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm gegen Schluss behauptet, nur er mit seinem Schweizer Pass könne den „Führer“ überhaupt angemessen darstellen.

Die Autorin, jüngste Tochter Martin Walsers und bereits vielgelobt, ist freilich nur bedingt darauf aus, in ihrem Männer-Stück das Innenleben von Schauspielern zu erkunden, denen aufgetragen ist, einen Unmenschen wie Hitler darzustellen. Man erlebt das Zusammentreffen drei solcher Darsteller vor einer Talkshow, wo das heikle Thema erörtert werden soll. Einer von ihnen ist freilich auf Goebbels abonniert, was einen komödiantischen Kontrast-Akzent bewirkt.

Die Annäherung an eine Hassfigur, wie sie mit all ihren Hemmnissen und Aversionen Bruno Ganz in einem Interview beschrieben hat („Ich dachte, das sei unspielbar“), ist bei Theresia Walser - wie bereits angemerkt - eigentlich nur ein sekundäres Thema, auch wenn es durchaus umfänglich diskutiert wird. Das Ganze ist mehr ein „Aufmacher“ für einen anderen Fragenbereich, nämlich das Selbstverständnis von Schauspielern, ihre Fähigkeit zu Bewunderung, aber auch ihr Hang zu Neid und Missgunst. Über die Ästhetik der Bühne wird gleichfalls diskutiert, hier über alte, vorschnell über Bord geworfene Theatertugenden, dort über unausgegorene Regieideen.

Franz Prächtel tritt als Mime alter Schule in Erscheinung. Er predigt Verantwortung gegenüber dem Text, gebunden an prägnante Rhetorik. Der Regisseur ist für ihn allenfalls eine Art Geburtshelfer. Bauturm-Leiter Gerhardt Haag bringt das Missionarische, aber auch Eitle dieser Suada brillant heraus, in seiner Mimik und Gestik spiegeln sich sowohl theatralische Heiligsprechung wie auch Ekel vor rotzigen Newcomern ungemein plastisch. Zu diesen zählt für ihn der Goebbels-Darsteller Ulrich Lerch, wohl aus der 68er-Ecke herkommend zu denken. Er sieht Opas Theater längst im Grabe, sucht seinerseits nach Kommunikation mit dem Publikum, Politnähe und visuellem Rausch auf der Bühne. Philip Schlomm wirkt da zu wenig radikal, bleibt ein vielleicht etwas verrückter, aber immer doch netter Junge. Zwischen diesen Kontrahenten laviert Schauspieler Peter Soest, den Kai Hufnagel mit einer großen Bandbreite an Körpersprache gibt. Soest verhält sich fallweise servil gegenüber dem „großen“ Prächtel, nutzt aber jede Gelegenheit, mit Ironie dessen Ego zu unterminieren. Und zum Schluss greift er ganz offen an. Der Vorhang im Hintergrund fällt aus der Verankerung. Das eigentliche Erdbeben folgt aber vielleicht erst in der Talkshow. Doch das wäre unter Umständen ein neues Stück.

Theresia Walsers bittere Komödie dauerte ursprünglich nur eine knappe Stunde. Nach der Mannheimer Uraufführung (2006) hat sie noch etwas zugebuttert. Die jetzigen 75 Minuten im Bauturm sind eine angenehme Theaterdauer, zumal in der lebendigen, aber nicht aufdringlichen Inszenierung von Friedhelm Roth-Lange nichts durchhängt. Für Komik sorgt immer wieder auch ein wackliger Tisch, der virtuos ins Spiel einbezogen wird.