Schlaraffia einmal anders
Denkmal für einen großen Unbekannten. Werner Schlaffhorst - wie konnte er nur in Vergessenheit geraten, hat er doch so weltbedeutende Erfindungen gemacht wie das Schlaffophon, das Schlaffochord oder auch das Schlaffolapp. Klingt alles etwas zu schlaff? Dann sollte man sich die Aufführung in der Kölner Expo ansehen, dem derzeitigen Ausweichquartier des Kölner Schauspiels. Sie reißt die Zuschauer immer wieder von den Stühlen. Reichlich Stühle gibt es auch in der mit skurrilen Erinnerungsstücken vollgestopften Wohnlandschaft von Duri Bischoff, welche vor drei Jahren bereits die Besucher des Zürcher Schauspielhauses in Augenschein nehmen konnten. Denn dort erzählte Clemens Sienknecht erstmals von seinem Helden und dessen Leben, zu wahr, um schön zu sein.
Diese Titelergänzung darf man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen und seinem ironischen Wortspiel nachsinnen. Dann stößt man schnell darauf, wer dieser Werner Schlaffhorst ist beziehungsweise war. Ein Held sicherlich nicht, auch wenn er sich wie ein Stehaufmännchen von einer Niederlage zur nächsten durchkämpfte. Doch nirgendwo fasste er wirklich Fuß. So wird die Aufführung zu einem „Hohelied auf das Unvollkommene, auf das Scheitern, auf die Unsicherheit“, so Sienknecht, der mit Werner Schlaffhorst ein wenig sich selber porträtiert („Ich fühle mich armselig“). Allerdings dunkelt er seine „musikalische Gedenkveranstaltung“ nicht zu einer Trauerfeier ein.
Hinter gespieltem oder gesprochenem Sachernst lauert unverhohlen Triviales, Absurdes. Sienknecht beispielsweise gibt in einem gänzlich verrückten Solo von Georg-Kreisler-Qualität einen irrsinnigen Verschnitt von Tierliedern zum Besten. Wenn Holger Bülow von Michael Wittenborn zu einem Schlaffhorst-Zitat aufgefordert wird, welches er aber nie zuende bringen darf, geht er zu einem Bücherbord, um sich dort die entsprechenden Schlaffhorst-Aufzeichnungen zu greifen. Dieses Regal verliert immer mehr an Stabilität, bricht schließlich zusammen - Loriot lässt grüßen. Es gibt auch sonst immer wieder kleine Unglücke zu beobachten, die sich in dem finalen Nachruf niederschlagen: „Er kam oft zu spät, aber er ging viel zu früh.“ Bilanziert wird ein chaotisches Leben, welches zwar immer wieder Lacher provoziert, aber auch etwas melancholisch zurücklässt.
Der Musiker Sienknecht garniert das alles mit Tonzitaten zwischen Rolling Stones und Michael Jackson, bei denen er sein (nota bene hochmusikalisches) Darsteller-Team an einem Klavier oder an einem Örgelchen begleitet. Eine besondere Liebe scheint Sienknecht zu den Vier letzten Liedern von Richard Strauss zu hegen. Schon in seiner ersten Kölner Produktion Radio Ro zitierte er den dritten Gesang Beim Schlafengehen - nochmals ein kleiner Trauerrand nach komödiantischem Überschwang.
Dem auf Sparkurs verpflichteten Kölner Schauspiel kam es sicher zupass, dass Clemens Sienknecht sich von seinen Arbeiten nur schwer trennt, vor allem, wenn er sie (zusammen mit seiner Frau Barbara Bürk) so prima hinkriegt. So schlug er dem Hause vor, sein Schlaffhorst-Stück samt den Kulissen aus Zürich zu übernehmen. Aber aufgrund der neuen Darsteller (nachzutragen sind Jennifer Frank und York Dippe) sieht man nicht lediglich eine Kopie, sondern eine köstliche, individuelle Variante, made in Cologne.