Ein bewegender Abend mit einem Schauspieler und drei Personen
Das Bühnenbild? Die Andeutung eines verwohnten, kleinkarierten Wohnzimmers mit zusammen gewürfeltem Mobiliar. Markus John – im dunklen Anzug, weißem Hemd, rotem Schlips, roter Brille, die Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden – tigert um die kleine Spielfläche herum, schaut in den Zuschauerraum. Und beginnt damit, sich als Museumswärter Yussuf vorzustellen. Als Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens tritt er stets akkurat gekleidet auf. Yussuf schwärmt vom „Dialog der äußeren und inneren Pigmente“, der sich beim intensiven Studium der Gemälde – wie Salvador Dalis Der Bahnhof von Perpignan – ergibt. Mit wenigen Handgriffen verwandelt sich John in Foxi, den taxifahrenden Ganoven aus dem Kölner Rotlichtmilieu – eine Lederjacke ersetzt das Jackett, der Oberlippenbart wird abgenommen, die Haare fallen frei. Die Bühnenfigur Foxi kennen wir schon aus der Aufführung Kölner Affaire in der Spielzeit 2007/08, die Markus John sehr lebhaft verkörperte. Das Konzept der damaligen Produktion unter der Regie von Alvis Hermanis aus Riga bestand darin, dass Schauspieler sich Menschen aus der Stadt suchten – rein zufällig - , sich ihre Geschichten erzählen ließen und sich ihre Gesten und Mimik einprägten. Daraus entstanden authentische Lebensgeschichten, die in einer Sprache auf der Bühne erzählt wurden, die auf dem Theater sonst kaum zu hören ist. In einem Interview mit Theater heute bezeichnete Markus John dies als seine „wirklich schönste Theaterarbeit“. Und machte sich jetzt daran, Foxi, den Taxifahrer aus Bergisch Gladbach, wieder auferstehen zu lassen. Wir lernen auch Yussuf kennen, der mit vier Jahren nach dem Tod des Vaters mit seiner Mutter nach Deutschland kam, seit 1975 Kölner Bürger ist und seit 1985 deutscher Staatsbürger. Die dritte Person an diesem Abend ist die zielbewusste, energische Edeltraud. Sie verbrachte ihre Jugend in der DDR, später arbeitete sie bis zu ihrer Heirat als Fremdsprachenkorrespondentin bei der South African Airways. John mutiert mühelos zu dieser Wahlkölnerin, deren Mann im Vorstand von Klöckner-Humboldt-Deutz saß, indem er Ohrclipse anlegt und sich eine große weiße Stola umlegt.
Es sind keine spektakulären Biografien, aber John erzählt sie anschaulich und so echt, dass sie berühren. Natürlich amüsiert sich das Publikum, wenn Foxi im kölschen Slang aus seiner wilden Zeit im Milieu berichtet, vom Geld ausgeben, vom Scheitern seiner Ehe, als ihn seine Frau in flagranti erwischt („Dann war die Ehe tralala“). Und von seinem Kur (=Knast)-Aufenthalten. Oder wenn Yussuf sich über das Verhalten mancher Größen aus der Kunstszene und den Kölner Klüngel mokiert. Edeltraud, die zwei Töchter großzog und den Haushalt schmiss, lässt die Zuschauer schmunzeln, wenn sie anschaulich vom endlosen Knatsch mit den Handwerkern beim Hausbau berichtet („diese Kölner Mentalität – die sind ja hoffnungslos unzuverlässig“).
Nach der Pause kommen ernstere Töne auf. Yussuf, für den seine Mutter praktisch alles ist, erzählt, wie er sie als alte Frau gepflegt hat. Und wie er sie fast verlassen hat, als sie Probleme mit seinem Coming out als schwuler Mann hatte. Edeltraud hat ihren demenzkranken Mann gepflegt und ihn später regelmäßig im Hospiz besucht. Und trotz ihrer eigenen Krebserkrankung nie den Lebensmut verloren (denn: „Es lohnt sich ja, zu leben“). Auch Foxi zeigt ach so menschliche Seiten, wenn er von seinem Wunsch erzählt, seinen unehelichen Sohn zu treffen, mit dem ihn seine Geliebte vor langer Zeit verlassen hat. Großartig, wie John diese unterschiedlichen Schicksale vermittelt.
Ein berührender, höchst sehenswerter Abend.