Wortmächtig
Oleanna ist ein Stück über Macht – Macht, ausgeübt durch Sprache. Es geht um Sprachbeherrschung und die Ausdeutung von Sinnebenen.
Handelnde sind die Studentin Carol und ihr Professor John. Sie bittet um Hilfe bei einer Hausarbeit – er kehrt den großen Intellektuellen heraus, behandelt sie von oben herab und demütigt sie durch einen Schwall akademischer Begriffe, die sie nicht versteht. In die Enge getrieben, dreht sie den Spieß herum, gibt seinen Aussagen eine andere Bedeutung, deutet sein beruhigendes Hand-auf-die-Schulter-Legen als sexuelle Avance und bezichtigt ihn letztendlich der Vergewaltigung. So verwandeln sich Täter in Opfer und Opfer in Täter. Oder noch besser: Beherrschte in Herrscher und umgekehrt.
Es geht hier vielleicht auch um männliche und weibliche Verhaltensweisen – in erster Linie aber doch um Sprache als Machtinstrument, bei deren Anwendung auch die soziale Herkunft eine entscheidende Rolle spielt.
In einem kargen Büro siedeln Meinhard Zanger und sein Ausstatter Darko Petrovic die gut achtzigminütige Redeschlacht an – ein Büro noch nicht gesegnet mit moderner Bürotechnik, sondern nur mit einem vorsintflutlich anmutenden Telefon, das durch sein Klingeln die heftig werdendere Auseinandersetzung immer wieder unterbricht. Hier erwartet der in saloppe Jeans und weißes Hemd gekleidete Akademiker die „kleine Studentin“, die er in zehn Minuten abzukanzeln gedenkt. Je weiter John ins Fahrwasser dieser Begegnung gerät und sein Leben dabei aus den Fugen springt, desto zerknitterter das Hemd und ramponierter das Outfit. Im Gegensatz dazu wandelt sich seine Gegenspielerin vom niedlich gelocktem Girlie zur Hardcore-Kämpferin mit strengem Pferdeschwanz und Lederjacke.
Und beiden Schauspielern nimmt man ihren Charakter ab. Bernd Reheuser ist der perfekt-überhebliche Intellektuelle mit der Lebenszeitprofessur vor Augen, der sich nur schwer mit Niederlagen abfinden kann und sich letztlich doch zu körperlicher Gewalt hinreißen lässt.
Und Nagmeh Alaei wird von der naiven Studentin zum eiskalten Racheengel, der alle Register zieht, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Beide können aber auch die verletzlichen, die sanften Seiten ihrer Figuren zeigen.
Das Wolfgang Borchert-Theater zeigt ein Stück mit vielen Aspekten, die in dieser Produktion aufzeigt werden und durchaus Stoff für Diskussionen beim Wein „danach“ bieten.