Brisantes Thema
Es ist vierzig Jahre her, dass Esther Vilar mit ihrem Buch Der dressierte Mann die Gemüter der Öffentlichkeit bis zur Weißglut erhitzte. Auch das Gemüt von Alice Schwarzer, die in einer Fernsehdiskussion des WDR 1975 ihrer Empörung unter anderem mit den Worten Luft machte „Sie sind nicht nur Sexistin, sondern auch Faschistin“. Wer von den beiden Frauen Recht hat, wurde im Grunde bis heute nicht entschieden. Vorbehalte gegenüber Vilars Thesen (nicht die Frau, sondern der Mann werde unterdrückt) dürften allerdings weiterhin Berechtigung haben. Und ihre Auffassung über die Entstehung lesbischer Beziehungen mutet schon einigermaßen abgehoben an. Die Meinung zum Thema Liberalisierung der Homo-Ehe möchte man erst gar nicht hören.
Dieses Themenfeld soll an dieser Stelle natürlich nicht zu klären versucht, sondern lediglich ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Auch das Kölner Theater am Dom, auf Boulevard-Stücke fixiert, dürfte mit John von Düffels Bühnenfassung des Vilar-Buches kaum die Absicht haben, nochmals eine Streitdiskussion auszulösen. Man spielt vielmehr eine themenbesänftigte Komödie, in welcher die emanzipatorischen Äußerungen von Dr. Elisabeth Schröder-Röder bestenfalls als grotesk empfunden werden dürften. Die kaum sonderlich differenzierte Darstellung dieser Figur durch Marianne Rogée trägt auch nicht gerade dazu bei, ein brisantes Thema wirklich neu zu beleuchten. Das wundert bei einer Darstellerin, die bereits vor vierzig Jahren auf den TaD-Brettern stand und über ein Jahrzehnt lang fest zum Ensemble gehörte, weiterhin durch Radio und Fernsehen („Lindenstraße“) weitläufige Erfahrungen sammeln konnte. Aber da muss man wohl auch den diesmal besonders routiniert beiläufigen Regisseur René Heinersdorff in die Verantwortung nehmen.
Bei ihm dampft der Boulevard mal wieder aus allen Poren. Die Dramaturgie des Stückes (unter anderem perforierende Kommentarauftritte innerhalb der realistischen Handlung) wird von der Regie szenisch allerdings gut genutzt. Als Bastian, welcher die vom Weib dominierte Welt langsam nicht mehr versteht und sich in diese einfach defensiv verfügt, bietet Stephan Schleberger das deftige Porträt eines Mannes, der bereits im Mutterleib den Schwanz einzog. Die Darstellung seiner Freundin Helen durch Caroline Kiesewetter läuft auf schenkelschlagende Lacher wesentlich unkontrollierter hinaus. Karin Dor, inzwischen 75, hat den Vorteil, als Helens Mutter die Thesen einer kaum emanzipierten, lakonisch auf Selbsterhaltung fixierten Lady mit Damen-Eleganz vorführen zu dürfen. Die Zuschauer hatten fraglos ihren Spaß. Aber weder Esther Vilar noch Alice Schwarzer, die zu Beginn der Aufführung kurz per Projektion eingeblendet werden, dürften ihr ureigenes Anliegen in dieser Produktion gespiegelt finden.