Opening Night im Bochum, Schauspielhaus

Der schmale Grat zwischen Kunst und Realität

In seinem Film Opening Night (1977) lässt uns der amerikanische Regisseur John Cassavetes einen Blick hinter die Bühne werfen und die letzten Tage und Proben vor der anstehenden Premiere (opening night) hautnah miterleben. Anselm Weber brachte den Inhalt des Films jetzt auf die Bühne.

Der Regisseur Manny ist nicht mehr der Jüngste und braucht dringend einen Erfolg, will er im Geschäft bleiben. Sarah, die etwa 70jährige Autorin von Die zweite Frau, hat sich Gedanken zu den Problemen einer alternden Frau gemacht, die lieben will, „aber es ist zu spät“. Maurice ist ein Schauspieler, der als Partner der Hauptdarstellerin ebenfalls auf ein Comeback hofft. Ferner sind da noch der Inspizient und die Garderobiere Kelly, die unauffällig und zuverlässig ihren Job erledigen. Im Zentrum des Stückes steht zweifelsohne Myrtle Gordon, eine Schauspielerin in mittleren Jahren. Sie ist besessen von der Angst, sie könne – wenn sie die Rolle überzeugend spiele – auf dieses Alter festgelegt werden. Was sie total ablehnt, denn: „Alter ist nicht interessant… ist gar nichts“. Sie will, wie in ihrer Jugend, begehrt werden, attraktiv sein – nicht nur „respektiert“ werden. Sie kann und will sich nicht eingestehen, dass diese Rolle sie mit ihrem eigenen Alter und der vergangenen Jugend unbarmherzig konfrontiert.

Katharina Linder ist eine überzeugende Myrtle, der man den Spagat zwischen Realität und Bühne, den Kampf um die Identität, die schmerzhafte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit glaubt. Peter Lohmeyer bleibt dagegen als Maurice zu zurückgenommen. Es ist schwer nachzuvollziehen, ob – wenn überhaupt – Myrtle mit ihm einmal eine private Liebesbeziehung hatte. Die Grenzen zwischen dem Spiel auf der Bühne und dem realen Leben verschwimmen zuweilen, Bühnendialoge werden unter anderem im off-stage-Spiel wiederholt. Und da ist auch noch Nancy, eine junge Frau, die als glühender Fan von Myrtle ein Autogramm erbittet und beim Verlassen des Theaters von einem Auto überfahren wird. Sie taucht immer wieder als Symbol für Myrtles eigene Jugend auf.

Renate Becker ist die kritische Autorin, die mäkelnd anmerkt, dass Myrtle ihr Stück nicht ordentlich „aufsagt“. Bernd Rademacher spielt den erfolgshungrigen Regisseur, der beklagt „es gibt keinen Glamour mehr“ und der durchaus auch seine Probleme mit dem Älterwerden hat.

Ein Stück mit einer aktuellen Thematik, ganz besonders in unseren Zeiten des Jugendwahns.
Eine Inszenierung, die zwar viele Aspekte genau beleuchtet, die aber den Zuschauer nicht oft durch emotionale Eindringlichkeit berührt. Wenn es geschieht, dann ist das der herausragenden Katharina Linder zu verdanken.