Ante portas
Vor einiger Zeit wurde an dieser Stelle über die Situation des Kölner Keller-Theaters berichtet, dem nach verweigerter finanzieller Unterstützung kein anderer Ausweg als die Insolvenz blieb. Gute Nachricht nach zermürbenden Wochen: es geht erst einmal weiter. Geldzuwendungen der Stadt (aus einem besonderen Fond) sind versprochen, wenn auch nicht in der erhofften Höhe. Doch hat sich zusätzlich ein Sponsor gefunden, der allerdings anonym bleiben möchte. Diese Perspektive gab es im vergangenen September noch nicht, und so verzichtete Intendantin PiaMaria Gehle auf eine Verlängerung ihres Vertrages, die sie bis 2016 gebunden hätte. Jetzt ist es nur noch ihr Anliegen, das Haus so weit in Schuss zu bringen, dass ein(e) Nachfolger(in) möglichst unbelastet die Arbeit aufnehmen bzw. fortsetzen kann. Es soll interessante Bewerbungen geben.
Die Insolvenz hatte auch Auswirkungen hinsichtlich einer für Januar geplanten Aufführung von Dennis Kellys Waisen. Der Verlag zog seine Zustimmung für eine Aufführung zurück - die mühevollen Inszenierungsvorbereitungen waren damit für die Katz‘. Für das avisierte Darsteller-Trio las PiaMaria Gehle viele „schlechte“ Stücke. Das zog sich hin. Spielplanlücken stopfen half erst einmal das Wolfgang-Borchert-Theater Münster mit David Mamets Oleanna, eine schöne Geste des ehemaligen Keller-Intendanten Meinhard Zanger. PiaMaria Gehle erinnerte sich schließlich an Ingrid Lausunds Tür auf, Tür zu, uraufgeführt im November 2011 in Duisburg. Kurioserweise, besitzt dieses Haus doch kein eigenes Schauspielensemble.
Ingrid Lausund gründete nach ihrem Regiestudium an der Theaterakademie Ulm ein freies Theater in Ravensburg, wo sie unter anderem eigene Stücke realisierte. Unter der Intendanz von Tom Stromberg war sie dann Hausautorin und Regisseurin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Danach arbeitete sie unter anderem in Köln, wo nicht nur die Städtischen Bühnen, sondern auch das Bauturm-Theater (Bandscheibenvorfall) und das Freie Werkstatt Theater (Benefiz).auf die interessante Theatermacherin setzten. .Nun also der „Keller“ mit Tür auf, Tür zu, PiaMaria Gehles Abschiedsinszenierung in diesem Haus. Das Stück gefällt ihr, weil es „mit komödiantischen Mitteln tragisch“ ist.
Der Titel scheint zunächst auf eine Groteske à la Feydeau hinauszulaufen, doch geht das Stück tatsächlich über oberflächlichen Boulevard hinaus, obwohl es an schräger Situationskomik keineswegs fehlt. Das „Auf“ und „Zu“ der in Philipp Sebastian personifizierten Tür funktioniert wie ein schicksalskalter Mechanismus. Einige Anonyma, teilweise mit karikaturhaften Namen belegt, befinden sich hinter dieser Tür, die anderen davor, die Ersteren mit einem Brecht-Wort also „im Licht“, die anderen „im Dunkeln“. Hier ist es, präzise gesagt, vor allem eine andere, die sich nach Akzeptanz, Anerkennung und gesellschaftlicher Wärme sehnt. Doch immer wieder wird sie zurückgewiesen und damit in ihrem Selbstwertgefühl erniedrigt. Trotzdem redet sie sich Unentbehrlichkeit ein, schwelgt in Erfolgseuphorien, um sich dann wieder in Rachegedanken zu ergehen. Fiona Metscher spielt das höchst körperintensiv und mit einem reichen Arsenal an verbalen Farben. Ihr steht ein „Chor“ gegenüber, was zwangsläufig an die griechische Tragödie erinnert. Doch aus „Ersparnis“-Gründen ist er in viele Einzelfiguren aufgespalten. All diese kontrastierenden Episoden lässt Emanuel Fleischhacker mit großer Präsenz und komödiantischer Virtuosität abspulen.
PiaMaria Gehle bietet mit ihrer Inszenierung hellwaches, spritziges Theater, wagt dabei aber auch Momente der Rührung, setzt auf Zwischentöne. Ein schönes Finale ihrer relativ kurzen Ära als Intendantin. Diese wird vom Vorstand des Theaters übrigens nicht nur wohlwollend kommentiert. Man verweist auf die Erfolge vor allem der Zanger-Jahre mit ihren guten Einspielergebnissen. Die hat der Autor dieser Zeilen ebenfalls noch gut im Gedächtnis und gesteht, der etwas anders gearteten Regieästhetik von PiaMaria Gehle nicht immer nur mit Sympathie gefolgt zu sein. Der Lausund-Abend jedoch bietet inszenatorische Sekt-Perlen. Und jetzt hofft man, wie auch am städtischen Schauspiel, auf eine gedeihliche Zukunft ab nächster Spielzeit.