Übrigens …

Mightysociety - Die Restposten im Dortmund, Schauspielhaus

Dreimal chinesisch essen gehen bedeutet noch nicht, Globalisierung zu verstehen.

Eric de Vroedt, Jahrgang 1972, ist einer umtriebigsten politischen Gegenwartskünstler in den Niederlanden. Er ist Autor, Regisseur und Schauspieler. Seine Arbeiten haben politisch brisante Themen zum Gegenstand, so Probleme, die in Zeiten der Globalisierung besonders aktuell sind: Rassismus und Ausgrenzung. De Vroedt erhielt in seiner Heimat einige der wichtigsten Kulturpreise, so den „Amsterdamprijs 2012“. Am Schauspiel Dortmund inszenierte er erstmals im deutschsprachigen Raum.

Mighty Society befasst sich mit ökonomischen Schachzügen eines ach so „grünen Unternehmers“ in der Ära der aktuellen Wirtschaftskrise, die keinen unbehelligt lässt. Verpackt in einen Psychothriller, der die Zuschauer immer mehr in seinen Bann zieht. Es beginnt im luxuriösen Wohnzimmer des weltweit agierenden und äußerst selbstbewusst auftretenden Unternehmers Raimund und seiner Gattin Henriette, einer Europa-Abgeordneten, die sich gern als engagierte Volksvertreterin ausgibt („Europa, ein unvermeidliches, ein brillantes Projekt“). Anwesend ist auch Henriettes Sohn Bastian (Sebastian Graf), ein Journalist, der von Anfang an jedes Detail mit seiner Kamera festhält und der mit dem Stiefvater nicht auf bestem Fuße steht.

Das Publikum schaut von zwei Seiten in das Wohnzimmer (trendy eingerichtet mit Ledergarnitur, Bücherwand und manch dezenter Beleuchtung). Man erlebt das Geschehen hautnah mit und wird in die Rolle eines Voyeurs versetzt.

Wie aus dem Nichts tauchen dort unerwartet zwei Besucher auf: Rick, ein ehemaliger Buchhalter in Raimunds Unternehmen Coolworks Ltd., und seine Frau Steffie. Unklar bleibt, ob Bastian sie eingeladen hat, um den smarten Raimund über seine illegalen Geschäfte zu Fall zu bringen. Zunächst geben sich die Besucher höflich und zurückhaltend, bescheiden und scheinbar naiv. Doch dann setzen sie sich auf das Sofa und stehen nicht mehr auf. Was wollen sie?

Ricks Arbeitsstelle wurde „outgesourced“ nach Indien, auch Steffie verlor ihren Job in einer anderen Firma. Die momentane Krise, wer sich wie an Europa-Geldern bereichert hat, welchen Anforderungen sich Raimund als Unternehmer gegenüber sieht, Fragen nach Schuldigen und Opfern und Überlegungen zur Rolle der Europa-Politiker – all das kommt in der zunehmend eskalierenden Situation zur Sprache. Die Atmosphäre wird aggressiver, der Umgang miteinander gewalttätig und brutal.

Sebastian Kuschmann glänzt in der Rolle des coolen Unternehmers, der in Slogans wie „workflow – software“ spricht und sich zunächst als perfekten Geschäftsmann präsentiert. Später jammert er ebenso wortreich über den maßlosen Druck, der auf ihm lastet und dem nur durch grenzenloses Wachstum zu entkommen sei. Friederike Tiefenbacher ist Henriette, durch und durch eine toughe Frau, die sich zwar als Volksvertreterin gibt, das aber ohne Probleme mit ihrer gehobenen gesellschaftlichen Position in Einklang zu bringen weiß. Frank Genser spielt Rick eindrucksvoll. Zuerst ist er, brav in gestreiftem Rolli, der kleine Angestellte, dann blitzen mehr und mehr Facetten wie Wut, Rachsucht und Frustration auf. Aggressiv treibt er letztlich mit Raimund ein grausames Katz-und-Maus-Spiel. Caroline Hanke als Steffie gibt die brave Ehefrau, die frustriert von ihrer Kündigung erzählt („Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie abkömmlich sind“) und von den ganz banalen Alltagsproblemen der Familie.

Ein aufregender Abend mit einem hervorragenden Ensemble. Sprachlich scharfe Dialoge, eine intelligent-böse Analyse aktueller Wirtschaftsszenarios.