Übrigens …

Deportation Cast im Köln, Theater im Bauturm

Bedrückende Schicksale

Statt Stücktitel und Name des Autors ist auf der an der Hausfront des Theaters im Bauturm hochgezogenen Fahne ein politisches Bekenntnis zu lesen: „Duldung, Überstellung, Abschiebung - Die Würde des Menschen ist unantastbar?“ Die Produktion des 2011 in Hannover uraufgeführten Stückes Deportation Cast von Björn Bicker, welches ein Jahr später den deutschen Jungtheaterpreis erhielt, ist auch sonst umgeben von Informationen und Aktivitäten zum Thema Abschiebung.

Bickers Blick richtet sich auf den Kosovo, auch wenn sich dieser unschwer weiten könnte (man denke an das Thema Bootsflüchtlinge). Die Lage im Kosovo ist nun freilich besonders heikel. Auch wenn die Unabhängigkeit des Landes derzeit gesichert scheint, betrachtet Serbien die Provinz weiterhin als sein Eigentum (der diesbezügliche Streit mit Albanien reicht bis ins14. Jahrhundert zurück). Im Programmheft des Bauturm hat Dramaturgin Kerstin Ortmeier historische und aktuelle Fakten akribisch zusammengestellt.

Demnach kamen 1999 aufgrund kriegerischer Verhältnisse in ihrer Heimat rund 130.000 Kosovaren nach Deutschland. Sie assimilierten sich (oft unter angstvoller Verschweigung ihrer ethnischen Identität), die jüngste Generation ist hier aufgewachsen und beherrscht die Sprache ihres Heimatlandes längst nicht mehr. Politisch war diese Situation ohne festen Boden, und so wurde 2010 zwischen Deutschland und Kosovo ein sogenanntes Rücknahme- und Sicherheitsabkommen vereinbart. Die Abschiebung gerade mal geduldeter Menschen verlief oft in Form einer Nacht- und Nebel-Aktion. Viele Betroffene sahen für sich keine Perspektive mehr und begingen Selbstmord.

Der vierzigjährige Autor Björn Bicker, lange Jahre Dramaturg am Wiener Burgtheater und den Münchner Kammerspielen, vernetzt in Deportation Cast die Schicksale zweier Familien. Bei den Kosovaren fühlt sich die Tochter Elvira entwurzelt, möchte zurück nach Deutschland, zum Mathematik-Unterricht und vor allem zu ihrem Freund Bruno. Bruder Egzon ist leicht debil und stumm, seit er Zeuge einer Katastrophe wurde. Mit Bruno hält Elvira mühsam Kontakt über ein Internet-Café. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass dessen Vater zu den Piloten gehört, welche viele der Abschiebe-Flugzeuge steuerten. Egzon kommt zu Tode, nachdem er der verzweifelten Prostitutions-„Karriere“ seiner Schwester auf die Spur kommt. Bruno, hilflos im Bemühen, zu Elvira zu gelangen, übergießt sich schließlich mit Benzin und zündet sich an.

Das bleibt aber weder beim Autor noch beim Regisseur eine private Tragödie. Der Satz „Wir (müssten) auf die Straße gehen und etwas ändern in diesem Land“ wird in der Bauturm-Inszenierung zu einem poltischen Appell um nicht zu sagen Fanal. Das Schwenken der deutschen Fahne mag man dabei als etwas plakativ empfinden.

Insgesamt wirkt die Aufführung jedoch außergewöhnlich intensiv und hautnah. Die Aufteilung der 12 Personen auf vier Darsteller (oft in minutiösem rhetorischem Wechsel), die nüchterne Ausstattung wie auch der verfremdende Einsatz von Musik wirkt Naturalismus entgegen, ohne einer Betroffenheit durch Realismus auszuweichen. Die kunstvoll strukturierende Regie von Gerhard Roiß wird wesentlich mitgetragen von den wirklich wundervollen Darstellern Mirka Flögl, Susanne Kubelka, David N. Koch und Christoph Wehr.