Übrigens …

Die Wahrheit im Köln, Theater am Dom

Wann darf gelogen werden?

Zum Thema Lüge lässt das Programmheft Prominenz zu Wort kommen: Mark Twain, Thomas Mann, Georg Bernhard Shaw, Laurence Olivier, Peter Ustinov. Das griffigste Statement stammt von Jean Gabin: „Wenn alle Menschen immer die Wahrheit sagten, wäre dies die Hölle auf Erden.“ Gemäß Florian Zeller (34) könnte der Schluss auch so lauten: „In gewisser Hinsicht wäre das das Ende der Zivilisation.“ Diese Worte fallen in seiner Komödie Die Wahrheit. Aber so drastisch will sich der Autor vermutlich nicht ausgelegt wissen. Sein Lustspiel freilich macht wenig Anstalten, das Thema differenziert zu erörtern. Etwa, dass Wahrheit mitunter schaden, Lüge hingegen Schonung bedeuten kann. Eine Diskussion darüber wäre mit Zwischentönen, mit sensibler Argumentation zu führen, aber beides geht dem Stück ab. Gezeigt wird ein reines Katz-und-Maus-Spiel: wer weiß mehr vom anderen, wer hat wann was Entlarvendes gesagt?

In René Heinersdorffs wie immer sehr routinierter Inszenierung zeigt die anfängliche Bettszene sogleich unmissverständlich: da gehen zwei fremd. Bei diesem Techtelmechtel gibt es ein paar nette Dialogpointen. Ganz lustig ist auch, wenn Michael dauernd von seinem „besten Freund“ Paul spricht, anstatt sich dessen Gattin Alice, seiner Geliebten, angemessen zu widmen. Die Formulierung „bester Freund“ fällt übrigens so häufig, dass man glauben könnte, es würde nicht über Wahrheit und Lüge, sondern eben über Freundschaft reflektiert. Ein durchaus willkommenes Thema, welchem Florian Zeller aber wohl auch nicht so recht gewachsen wäre.

Wer von den beiden Ehepaaren (nachzutragen: Michael ist mit Laura verheiratet) zuerst etwas vom „wer mit wem“ weiß oder ahnt, wird vom Autor nicht ohne Spannung und durchaus flott erzählt. Wenn es um die Beschreibung von Schuldgefühlen geht, wird Zeller jedoch einigermaßen seicht und Lügenbaron Michael mehr und mehr zu einem unangenehmen Patron, auch wenn Karsten Speck viel maskulinen Charme auffährt und häufig mit Überraschungsreaktionen belustigt. Aber gut, der reuige Sünder erlangt am Schluss mehr oder weniger Verzeihung und wagt in dieser Situation sogar den von Paul eingestandenen Seitensprung mit Laura zur Sprache zu bringen. Doch dieser gelingt es, die Anschuldigung als Fehlbehauptung abzuwimmeln. Damit könnte das Paar einen neuen Anfang wagen. Aber als Laura erfährt, dass der lange Zeit arbeitslose Paul auf einen lukrativen Posten ins Ausland abberufen wurde, macht Ute Willing ein gefrostetes „Aha“-Gesicht. Michael bekommt das nicht mit, aber der Zuschauer. Da wird, kurz vor dem Blackout, ein Moment, wirklich so etwas wie Ernst und Lebensenttäuschung spürbar. Insgesamt bleibt das Zeller-Stück jedoch boulevardeske Hausmannskost, welche auch noch Yvonne Burbach (Alice) und Martin Armknecht (Paul) Gelegenheit zu wirkungsvollen Auftritten gibt.

In der Regel sieht man auf der Bühne von Theater am Dom fesche Interieurs. Diesmal hat Regisseur Heinersdorff kostensparend auch die Ausstattung übernommen. Ein paar Möbelstücke, drei variabel aufstellbare Hochdreiecke genügen ihm. Man kann damit zufrieden sein.

 

 

 

 

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