„Women…bound to serve, love and pray“
Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung (The Taming of the Shrew), eines seiner frühesten Werke, wurde vermutlich um 1590/91 geschrieben. Viele nehmen an, diese Komödie basiere auf dem anonymen Werk The Taming of a Shrew aus der gleichen Zeit. Die Haupthandlung, die Zähmung einer widerspenstigen Frau, war jedoch sowieso ein weit verbreitetes Thema dieser Zeit. Die zentrale Frage, in diesem Stück wie auch in vielen anderen Werken Shakespeares, ist die Frage nach der Identität: keiner ist wirklich, was er vorgibt zu sein.
Shakespeare führt uns in diesem Stück alle möglichen Formen der Liebe vor: Liebe, die frei ist – Liebe, die falsch ist – eifersüchtige Liebe – die egozentrische Liebe eines Vaters, der seine Tochter verkauft. Und inmitten dieser bunten Mischung entwickelt sich eine Beziehung zwischen Petruccio und Katharina, wobei es offen oder der Interpretation überlassen bleibt, welcher Art diese Liebe ist.
Die Propeller Company gastiert seit 1997 beim Neusser Shakespeare Festival, früher unter dem Namen „Watermill Company“. Regisseur Edward Hall arbeitete auch bei The Taming of the Shrew mit einem für diese Company typischen „all-male-ensemble“, wie es der Aufführungstradition zu Shakespeares Zeit entsprach. Das Ziel dieser ungewöhnlichen Truppe exzellenter Schauspieler formuliert Hall so: „We want to discover Shakespeare simply by doing the plays as we believe they should be done: with great clarity, speed and full of as much imagination in the staging as possible“.
Zu Beginn dieses höchst unterhaltsamen Abends mischen sich die festlich gekleideten Hochzeitsgäste unter das Publikum. Alles im „Look“ von heute. Der betrunkene Bräutigam Sly torkelt herein und bricht vor den Füßen seiner Braut zusammen. Gekidnappt wacht er als scheinbarer Edelmann auf, wird in eine knallrote Motorradlederjacke gesteckt und verwandelt sich so in den charmanten und zugleich brutalen Petruccio. Vince Leigh vollbringt den Spagat zwischen dem tumben Sly und dem selbstbewussten Abenteurer aus Verona meisterlich. Dan Wheeler fasziniert als zunächst widerspenstige, zornige Katharina (im „Gothic look“ mit Doc Martin-Stiefeln), die sich durchaus der Bevorzugung der jüngeren Schwester durch den Vater schmerzlich bewusst ist. Anrührend seine Metamorphose zu einer absolut gebrochenen, unterwürfigen Frau, die ihre Mitschwestern in der berühmten Rede zum Ende des Stückes dazu aufruft „to place your hand beneath your husband‘s boots“. Das Resultat einer permanenten Gehirnwäsche und auch physischer Gewalt. In der Propeller-Interpretation bleibt keine Hoffnung auf einen Funken „true love“ in dieser Beziehung.
Neben diesem zentralen Paar überzeugen auch die anderen zwölf Mitglieder der Truppe durch höchst akrobatisches Spiel, durch fantastische Musikeinlagen, durch Slapsticks – eine überaus temporeiche Inszenierung mit grandiosen komödiantischen Einlagen, aber auch ergreifenden und dichten Augenblicken. So wenn Sly am Ende aus seinem Traum erwacht, nur um festzustellen: „I Know now how to tame a shrew“. Ahnen wir doch, dass hier keine Einsicht in die Notwendigkeit einer harmonischen Beziehung vorliegt. Er hat lediglich ein paar Tricks gelernt, um subtiler, nicht mit roher Gewalt, eine Frau zu unterjochen. Also genau das Gegenteil von dem, was eigentlich die Moral des Stückes sein sollte.