I don’t like you! And I love you!
Im Verhältnis zwischen Kindern und Eltern kochen oft die Emotionen hoch. Überall auf der Welt. Gefühle der Zuneigung und Liebe wechseln mit denen von Wut und Hass. Und irgendwo dazwischen stellt sich dann ein Zustand ein, der sich mit Hass-Liebe umschreiben lässt. Solch eine Hass-Liebe einer Tochter gegenüber ihrer Mutter bildet die emotionale Grundlage im Stück Die schwarze Prinzessin des israelischen Regisseurs und Autors Roy Reshef Maliach.
Studierende der Yoram Loewenstein Acting School aus Tel Aviv spielen gemeinsam mit jungen Menschen aus dem Stadtteil Hatikva, einem, wie man in Deutschland sagen würde, sozialen Brennpunkt der Stadt. Sie entführen das Publikum auf eine fantastische Reise der Gefühle. Schon vor Stückbeginn künden aufsteigende Nebelschwaden auf der Bühne davon, dass sich Wirklichkeit und Traum vermischen oder vielleicht sogar bedingen werden. Dass ein Traum notwendig dafür wird, dass eine gemeinsame Wirklichkeit zwischen Tochter und Mutter wieder lebbar ist. Unterstützt wird dieser Wechsel der Traum- und Wirklichkeitsebenen durch die Darstellung einzelner Szenen in Rückblenden: So bei der Geschichte von dem Jungen, mit dem die Tochter sich eigentlich treffen wollte, oder von dem Gespräch der schwarzen Prinzessin mit der Mutter.
Im Zentrum der Geschichte steht das Mädchen Tal. Die Darstellerinnen und Darsteller etablieren Tals Alltag anhand einer funktionalistisch, fast schon fantastisch anmutenden Choreographie. Äußerst präzise, rhythmisch und minimalistisch stellen die SpielerInnen Gegenstände dar, mit denen Tals Morgen beginnt: Dusche, Wasserhahn, Spiegel, Fensterbrett.
Tal hat sich nach einem Streit mit ihrer Mutter auf ihr Zimmer zurückgezogen. Ein Stofftier und ein Buch sind ihre Gefährten. Das Telefonklingeln und die Ansagen auf dem AB ignoriert sie. Ihre Mutter, die gerade im Krankenhaus ist, will sie nicht sehen oder hören. „Irgendwann bringt mich der Streit um“, hat die Mutter gesagt. Und wenn schon, denkt Tal. Die Mutter war es schließlich, die das Date mit dem Jungen verhindert hat.
Über diesen Gedanken schläft sie ein und erwacht plötzlich in einer Welt, die ihr wie ein Traum-Ort erscheinen muss: denn hier, in diesem Reich, sollen auf Anordnung einer schwarzen Prinzessin alle Mütter der Erde verschwinden. Durch eine - ähnlich wie in der Anfangsszene – strukturierte Choreografie, die hier den Bürokratieapparat eines Meldeamtes etabliert, das mit seinen stempeldrückenden und Schreibmaschine tippenden Angestellten, die sich anschließend noch in einen Fahrstuhl pressen, fast märchenhaft antiquiert daherkommt, wird sie mit einem Tagebucheintrag konfrontiert, demzufolge sie ihre Mutter los sein will. Doch genau das will Tal jetzt verhindern und macht sich auf die Suche nach der schwarzen Prinzessin. Dabei trifft sie auf fantasyartige Figuren: einen verwirrten Ritter, der nach eigenen Aussagen schon Monster und Drachen getötet hat, und seinen hasenartigen Buddy. Der Ritter, der sich bereit erklärt, Tal zu ihrem Ziel zu bringen, vergisst indes immer wieder den Weg und sogar die Tatsache, dass er Tal schon kennt. Mehrmals begegnet er ihr neu und wiederholt bereits gestellte Fragen.
Diese wie viele andere Szenen der Inszenierung unterhalten durch ihre Sprach- und Bewegungskomik, die teils sehr typisiert und märchenhaft überzeichneten Figuren sowie durch die Stilmittel von Wiederholung und dem Bruch von Handlungsabläufen. Am Palast angekommen, erwarten Tal Angestellte und die schwarze Prinzessin selbst, die wie aufgezogene Spielfiguren wirken inmitten einer mutterlosen Welt, in der Dinge der Kindheit wie Kuchen oder ein Geburtstaglied Erwähnung finden. Hier versucht Tal, die schwarze Prinzessin von ihrem Entschluss, die Erde zu entmuttern, abzuhalten. - Ist Tal selbst das schwarze und dann wieder weiße Prinzesschen? Ist dieser Traum eine Suche nach sich selbst? Das Ende sei bewusst verschwiegen. Nur soviel: Die Versöhnung, die Liebe setzt sich durch. Um das Helle fühlen zu können, muss man durch dunkle Gefühle oder eben dunkle Träume gehen.
Die Bühne ist schlicht schwarz und leer. Es gibt keine Requisiten, nur Spieler(innen), die solche Requisiten darstellen oder andeuten. Die Kostüme sind mehrheitlich einfach blau oder weiß. In vielen Szenen wirken die Kostüme uniform, so uniform wie die akkurat einstudierten Choreographien. Doch Blau ist ja auch die Farbe der Hoffnung. Und es gibt viel Hoffnung in diesem Stück.
Der große Applaus am Ende der Vorstellung mag zweierlei bedeuten: In jedem Fall hat dem Publikum das Stück gefallen. Vielleicht aber kennt das Publikum (besonders das weibliche) dieses Gefühl der Hassliebe zur eigenen Mutter irgendwie auch selbst.