Übrigens …

Happy im Biss im Paderborn

Arm, aber happy?

Wenn es ein europäisches Land gibt, das durch seine Geschichte kosmopolitisch geprägt ist und sich eine Offenheit gegenüber Fremden erhalten haben sollte, dann ist das Österreich. So in etwa sagt das auch der Innenminister Klaus Hartmann aus dem Stück Happy im Biss der Gruppe „Die Fremden“. Doch gerade in Österreich sind Migranten und Migrantinnen oft die ersten, die aus der Wohlstandsgesellschaft herausfallen: Ganz besonders deutlich wird das auf dem Arbeitsmarkt. Das spüren auch Oksana, Johnny und Emilia, die drei Hauptfiguren dieser oft grotesken Inszenierung. Die brauchen dringend Moneten: ob für die Eltern in Weißrussland oder für die Kinder. Nur Arbeit bekommen sie nicht. So weit, so unten.

Erzählt wird ihre Geschichte in Einzelbildern, die stets mit einem Black enden und oft mit einem neuen Pop- oder Rocksong beginnen. Die Stationen ihrer mühseligen Ankunft in der Fremde sind vor allem: ein Minijob und das Arbeitsamt. Dazwischen die U-Bahn. Häufig telefonieren die Figuren - oft der einzige Weg, um mit der Familie oder einem potentiellen Arbeitgeber in Kontakt zu treten. Dessen Name wird dann auch schon mal auf dem Hosenbein von Johnny notiert. Wie sagt ein Sprichwort: Wer schreibt, der bleibt – in diesem Fall zusammen. Und zusammen kommen die drei so richtig bei einem gemeinsamen Abend in Emilias Wohnung. Hier lassen sie dem Frust über ihre Situation so richtig Lauf: darüber, dass sie sich wie der letzte Dreck fühlen und dass sie gerne mal einen Politiker dazu bringen würden, ihnen zuzuhören. Zusammen entsteht dann die Idee zu einem Party-Service: „Happy im Biss“. Oder „Imbiss“?

Die Anmeldung ihres Gewerbes auf dem Amt ist ein Paradestück der Bürokratie. Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben sichtliches Vergnügen an der Übertreibung: Biederkeit, pünktlicher Arbeitsschluss, Vorurteile gegen Fremde - das Verhalten der Bürokratie wird satirisch aufgespießt. Das Unternehmen indes geht so la la. Aber „everything’s gonna be alright“ singt Bob Marley in einem Song des Stücks. Und er muss es wissen.

Auch die Einführung des Ministers Hartmann, der sich bei seinem eigenen Interview zusieht, ist überspitzt, aber sehr komisch: besonders sein Englisch. Von guten Bedingungen für ausländische Investoren in Österreich zulasten kleinerer Unternehmer ist da die Rede; von der Marktfreiheit, die „zwar eisern, aber gerecht“ sei; von – ganz aktuell – der erneuten Debatte um die EU-Mitgliedschaft der Türkei angesichts der Ereignisse auf dem Taksim-Platz. Und von der Immigration, gegen die Österreich, das ja schließlich stets ein „melting pot“ gewesen sei, nichts einzuwenden habe. Hauptsache sei doch „that you the language can”. - Der Zufall will es, dass das Imbiss-Trio auf eben jenen Hartmann trifft, ihn bewusstlos schlägt (in Zeitlupe!) und dann aus Angst vor der Polizei in einem Raum festhält. Hier trifft ganz Unten ganz Oben. Und das endet in einem vorübergehenden, fast vertraulichen Zwischenraum, in dem soziale Schichten, unterschiedliche Wertevorstellungen und vorherige Ressentiments zumindest auf Seiten der Geisel aufgehoben scheinen. So weit, so geknebelt.

Die Begegnung allerdings bleibt an der Oberfläche. Der Minister gibt klischeehafte Statements von sich: predigt Pünktlichkeit, die ihn schließlich dahin gebracht hätte, wo er jetzt ist bzw. sitzt; äußert sein Unverständnis darüber, dass Leute ihre Heimat verlassen, um anderswo zu arbeiten; lobt angesichts einer Tanzeinlage des Trios, dass die Fremden den Rhythmus im Blut hätten.

Parallel zu diesem Geiseldrama wird die Geschichte der engagierten bulgarischen Journalistin Jessica erzählt, die den Machenschaften ihres ehemaligen Kommilitonen Nico, der jetzt  Staatssekretär von Hartmann ist, auf die Schliche kommen und ihn auffliegen lassen will. Am Ende sind die Politiker der Korruption angeklagt, und das Trio, das zufällig an der Aufklärung des Polit-Krimis beteiligt war, erhält ein unbefristetes Bleiberecht. So weit, so happy.

Das Stück ist an vielen Stellen happy und hat an manchen Stellen auch Biss. Es integriert sein Thema Migration auf mehreren Ebenen: bei der Mehrsprachigkeit der Figuren ebenso wie bei der Thematisierung der Distanz zur Heimat. Es setzt daneben auf jede Menge Tanzeinlagen, die sich durch alle Figuren und damit Schichten ziehen. „Happy im Biss“ ist häufig komisch, an manchen Stellen aber auch ein wenig zu plakativ. Etwa bei der Überzeichnung der Vorurteile des Ministers, bei den Forderungen des Arbeitsamtes nach mehr Initiative bei der Jobsuche und vor allem bei der Szene, in der der geknebelte Minister ein Stück vom Kuchen des „Happy“-Trios erbittet. So weit, so deutlich.

Im Großen und Ganzen überwiegt aber doch der Eindruck: Leiwaund. Die Inszenierung lebt davon, dass die multikulturelle Darstellergruppe „Die Fremden“ ihre persönlichen Erfahrungen auf der Basis von Improvisationsarbeit in die Stücke einfließen lässt. 1992 von der Pädagogin und Regisseurin Dagmar Ransmayr gegründet, verfolgt die Gruppe das Ziel, Menschen, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben, durch das Theaterspiel Möglichkeiten des Austausches und Kontaktes zu geben. Dabei versteht es sich als politisches und integratives Theater.