Der Parasit oder Die Kunst sein Glück zu machen im Schauspielhaus Düsseldorf

Ränkespiele im Vorzimmer der Macht

Mit der Komödie um den Hofintriganten Selicour hat der Tragödiendichter Schiller ein Werk hinterlassen, das auch heute noch aktuell ist. Beschreibt es doch amüsant-witzig die höchst zweifelhaften Machenschaften, die ein hemmungsloser Schmarotzer anwendet, um Karriere zu machen.
Der Parasit entstand als Gelegenheitsarbeit. Einer Bitte des Weimarer Herzogs folgend, übersetzte Schiller einige zeitgenössische französische Theaterstücke für das Theater in Weimar. So auch die Komödie „Médiocre et rampant ou le moyen de parvenir“ des Pariser Autors Louis Benoit Picard. Das Stück behandelt das Streben des Einzelnen nach sozialem Aufstieg, den Weg des einfachen Mannes zu Reichtum und Macht. Ein Thema, das vor dem Hintergrund des Verfalls der feudalen Gesellschaftsordnung in Frankreich und der größeren Durchlässigkeit zwischen den Ständen zur Entstehungszeit des Stückes zu sehen ist.
Ort der Handlung: zu Paris in einem Vorzimmer des Ministers. Selicour, ein cleverer Taugenichts, schafft es glänzend, von den Früchten der Arbeit anderer zu leben und damit Karriere zu machen. Fassungslos erleben seine Mitmenschen sein wendiges Gehabe, mit dem er fehlendes Talent mühelos zu kaschieren weiß. Sein biederer Jugendfreund La Roche muss seinen Schreibtisch räumen, obwohl er es war, der Selicour nach Paris gebracht hat. Firmin, ein grundsolider Mitarbeiter des Ministers, wird um ein Mémoire betrogen, das Selicour höchstes Lob einbringt. Firmins Sohn Karl schwatzt Selicour ein Liedchen ab, um des Ministers Töchterlein zu beeindrucken. Am Ende enttarnt den Intriganten nur eine noch gerissenere Intrige seiner geschädigten Widersacher.
Nurkan Erpulat, Hausregisseur in Düsseldorf, eröffnete dort mit seiner Inszenierung die Spielzeit.
Von den Kostümen und von der Ausstattung der Bühne her transferierte er das Stück in die Jetztzeit. Der Vorraum der Macht ist ein schlichtes Büro mit Rank-Xerox-Kopierer, Wasserspender, Kaffeemaschine, zwei Sesseln und einer Gruppe arg angestaubter Grünpflanzen. Auch die Sperrholzwände tragen zur nüchternen Atmosphäre bei. La Roche (Christian Ehrich) erscheint als jämmerliche Gestalt, mit fettigen Haaren und überhaupt heruntergekommen aussehend, und beklagt sich über das rücksichtslose Verhalten seines Jugendfreundes. Später wird er – auch vom äußeren Habitus her – zu einer wichtigeren Gestalt mutieren, wenn er zur Kesseljagd auf den verhassten Karrieristen bläst. Florian Jahr überzeugt als smarter Aufsteiger, sportiv-elegant in gestreiftem Anzug mit rosa Innenfutter, farblich passend zu den Socken. Blitzschnell wechselt er zwischen wortgewandten Schmeicheleien, so dem zunächst arglosen neuen Minister gegenüber, und kalter Abkanzlung von Leuten, die ihm nicht nutzen können. Wie seine Cousine vom Lande. Sie kam nach Paris in der Hoffnung, dort mit seiner Hilfe ihr Glück zu machen. Hier wurde der Originaltext, in dem es der mehr bäuerlich auftretende Vetter ist, abgewandelt, um diese kesse Blondine mit den arg modernisierten Redewendungen (Stefanie Rösner), die nicht recht zu Schillers Sprache passen, ins Spiel zu bringen. Moritz Führmann ist der Minister Narbonne. Mal sehen wir ihn im Tennisdress, dann im Reitoutfit. Ein Frühstücksminister? Erst gegen Ende scheint er geneigt und fähig, eigene Entscheidungen zu fällen.
Alle Charaktere in dieser Inszenierung werden oft übertrieben fast wie Karikaturen ausgestellt, als könne der Zuschauer sonst den Esprit der Komödie nicht auskosten. Manche Gags scheinen „l’art pour l’art“ zu sein, so die Luftballonhasendeko der Ministerparty. Warum muss Marian Kindermann den jungen Firmin als gammelig aussehenden Hippie in Löcherpullover und mit zauseliger Langhaarperücke spielen? Braucht dieses Stück, in dessen Zentrum der heute als Networker bezeichnete Glückssucher steht, die partielle Modernisierung in sprachlicher Hinsicht? Wohl kaum.
Am Ende hält Narbonne, zufrieden mit sich und der Entlarvung des Schmarotzers, eine Rede, die „alles wird gut“ postuliert und mit dem Statement endet: „Der Schein regiert die Welt und Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne“.