Übrigens …

Jalta im Schauspielhaus Düsseldorf

Demokratie auf der Bühne

Mit einem Hoch auf die Demokratie hat am Vorabend der Bundestagswahl die Politkomödie Jalta am Samstag im Schauspielhaus Düsseldorf als Uraufführung ihre Premiere erlebt. „Wenn Demokratie bedeutet, dass der Wähler ohne Angst und ohne Bedrohung seinen Wahlzettel in die Urne stecken kann“, dann stehe ich für Demokratie, sagt zu Beginn der leider deutlich überlangen Inszenierung StaffanValdemar Holms eine wunderbare Imogen Kogge als versoffen-genialer Winston Churchill. Knapp drei Stunden später deklariert Churchills Adjutant Smith (Betty Freudenberg) diese Sätze noch einmal. Kurz darauf trällert der Adjutant Harry (Xenia Noetzelmann) des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt (Karin Pfammatter) den Kriegs-Schlager Lili Marleen.

Das Stück Jalta stammt aus der Feder des schwedischen Autors Lucas Svensson, der sich die Konferenz in Jalta vom Februar 1945 als Ausgangspunkt für sein Stück ausgesucht hat. Dritte Person in der Allianz gegen Hitler ist Stalin, den die schwedische Schauspielerin Stina Ekblad teils knallhart, teils schleimig und sich verrenkend hervorragend gibt. Ihm hat der Autor mit Lavrentij (Elena Schmidt) einen fast hündisch ergebenen Adjutanten zur Seite gestellt. Einzig männliche Person in dieser Jalta-Konferenz ist der altgediente Düsseldorfer Schauspieler Winfried Küppers, der als Kellner mal Blumen-Arrangements, mal Schaumwein oder den Totenschädel eines Kriegsopfers serviert und sich ansonsten im Auf- und Zuziehen der Vorhänge vor den Bühnen-Fenstern ergeht. Der Verhandlungssaal im Großen Haus in Düsseldorf ist total in grau gehalten, ebenso die Kostüme der sieben Akteure (Ausstattung: Bente Lykke Møller). eine Sofagarnitur, zwei Tische mit mehreren Stühlen für die Konferenz-Teilnehmer und eine Weltkugel, die von den drei Alliierten immer mal wieder - wie im Anti-Hitler-Film Der große Diktator angestoßen oder fortgerollt wird.

Churchill ist sicherlich die grandioseste Figur in diesem Damen-Sextett. Wie Imogen Kogge hüftbetont sich eins ums andere Mal eine Zigarre ansteckt, sich von Adjutant Smith mit den Worten „Ist es schon wieder so weit?“ den nächsten Whiskey einschenken lässt, sich bei Schaumwein und Austern über die Erschaffung von Intelligenz auslässt und stets betont, dass der Krieg der Normalzustand und der Friede lediglich eine Unterbrechung darstellt, das packt die Zuschauer. Das sorgt für Lacher zwischendurch und manchmal spürt man allerdings auch, wie einem der Lacher im Halse stecken bleibt.

Wenn das Trio noch vor dem endgültigen Sieg über Hitler-Deutschland dessen Reich aufteilen will, wie die westlichen Alliierten betonen, dass die Zahl der deutschen Toten sich bis Kriegsende locker um ein paar Millionen steigern ließe und Leipzig doch „nur als moralischen Gründen bombardiert“ würde, da glaubt man nicht mehr so ganz an die Komödie. Und Churchill betont mehrfach - ziemlich angetrunken - dass er „vom Krieg gute Laune bekommt“. Roosevelts Adjutant Harry - Bomberpilot - meint dann auch, das Fliegen eines Bombers sei „wie ein Sonntagsspaziergang“.

Im Verlauf der Konferenz schwärmt der an den Rollstuhl gefesselte - leicht debil wirkende - Roosevelt von einem frühen Besuch in Bayern mit Hefeweizenbier, Brezeln und Lederhosen, hat dann aber Probleme, sich auf der Landkarte zurecht zu finden. Russland ist für eine Zerstückelung Deutschlands, Churchill will den Kriegsgegner in fünf Teile zerlegen und Roosevelt schlägt gar eine Aufteilung in 107 Stücke vor. Zwischendurch labt sich das Trio an Kaviar - weil der Hummer mangels Gas in der Küche nicht zubereitet werden kann. Und der Zuschauer bekommt Lust, an dieser Konferenz - wenn auch nur als journalistischer Beobachter - teilzunehmen.

Doch die Pause verhindert das. Nach 15 Minuten sind zumindest in den ersten zehn Reihen des Schauspielhauses deutliche Zuschauerlücken zu verzeichnen. Das Spiel auf der Bühne fällt ab, es fängt an, sich zu ziehen. Noch einmal werden die Vorhänge aufgezogen. Ein Totenkopf fängt an zu brüllen um Stalin in Entsetzen zu versetzen. Churchill beklagt sich über die schlechte Qualität des russischen Schaumweins, Roosevelt schaut sich den Zeichentrickfilm Dumbo - der fliegende Elefant an und Stalin gesteht seinem Adjutanten, dass er dessen Frau hat umbringen lassen. er

Warum Churchills Adjutant dann auch noch halbnackt auf der Bühne auftaucht und sich ein rosafarbenes Ballkleid überzieht, bleibt ebenso unerklärlich wie das lesbische oder schwule Verhalten von Stalins Adjutanten, der unter das besagte Ballkleid kriecht und Smith nicht mehr von der Seite geht. Ach ja, natürlich geht es in Jalta auch und vor allem um Polen. Die westlichen Alliierten wollen eine Demokratie nach ihrem Muster, Stalin will vielmehr einen verlässlichen Vasallen als Puffer zwischen dem Westen und dem Osten und natürlich setzt er sich gegenüber dem angetrunkenen Churchill und dem debilen Roosevelt durch. Nicht wirklich als Alliierter in Verhandlungen, vielmehr als listiger Stratege überrumpelt er seine Partner und lässt sie den Vertrag von Jalta unterzeichnen.

Hervorragend gespielt von allen sieben Akteuren auf der Bühne. Leider deutlich zu lang für einen Politik-Theaterabend. Der Applaus war nicht frenetisch, aber ehrlich und - für Düsseldorfer Verhältnisse - durchaus langanhaltend.