Mutloses Aufbegehren
Jean Genet bekannte sich Zeit seines Lebens zu seiner Rolle als Dieb und Bettler. Sämtliche Werke sind Zeugnis seines tiefen Mitgefühls für soziale Außenseiter, die sich allen Arten von Verbrechen, ausschweifender Sexualität und dem Tod ausgesetzt sehen. Genet zählt zu den einflussreichsten Schriftstellern der Literatur des 20. Jahrhunderts. Zu seinen erfolgreichsten Dramen gehören neben Die Zofen (1948) Der Balkon (1957) und Die Neger (1959).
Genet verarbeitete in „den Zofen die Geschichte der Geschwister Papin, die 1933 in Frankreich als Dienstmädchen auf grausame Weise ihre Herrin und deren Tochter ermordeten. In seinem Stück geht es um zwei Zofen, die ihre Herrin zugleich lieben und hassen. Sie haben deren Liebhaber („Monsieur“) mit anonymen Briefen denunziert. Als sie erfahren, dass jener mangels Beweisen frei kommt, versuchen sie, ihre gnädige Frau umzubringen, scheitern jedoch. Dann wollen sie sich gegenseitig ermorden.
Nele Weber, bisher Regieassistentin am Düsseldorfer Schauspielhaus, inszenierte Die Zofen überzeugend und mit viel Gespür für die Nuancen.
Schon der Beginn ist vielversprechend. Wir sehen – als schwarzweiße Videoprojektion auf der Rückseite der Bühne – die Schauspielerinnen, welche die Zofen spielen, beim Schminken, wie sie die Kostüme anziehen, in ihre Rollen hineinschlüpfen. Dann marschieren sie die Gänge des Hauses unter Trommelwirbeln zur Bühne – Aufmarsch der Gladiatoren. Die Scheinwerfer leuchten grell auf, die Marseillaise erklingt: Auftritt vor dem Publikum. Weiße Bluse, schwarze Hose und eine große schwarze Schleife ,die Haarband und zugleich Krawatte ist – so die Uniform dieser Dienstmädchen. Xenia Noetzelmann spielt die jüngere Schwester Claire, Verena Reichhardt ist die ältere Solange. Die Herrin ist aus dem Haus und die Schwestern spielen abwechseln Herrin und Zofe, ein altes Ritual. Immer mehr steigern sich die zwei in Mordfantasien, wollen sie doch die gehasste Herrin umbringen und sich selbst aus dem Dienstbotenstatus befreien. Wobei Noetzelmann Claire als die spontanere, gefühlsbetontere Schwester gibt, Reichhardt Solange eher bedächtig anlegt. Diese „Zeremonie“ ist ganz klar eine Ersatzhandlung für ein nicht gewagtes Eigenleben. Bis die gnädige Frau früher als erwartet heimkehrt. Anna Schudt überzeugt als theatralisch liebende „grande dame“, als gütige Herrin (sie schenkt den Zofen abgetragene Kleider, die sie später wieder zurückfordert), dann wieder auch als herrische Gebieterin. Besonders aber beeindrucken Noetzelmann und Reichhardt mit dem Wechselbad der Gefühle, dem immer wieder Eintauchen ins Rollenspiel mit den Hoffnungen, der intensiven Darstellung der gedemütigten, letztlich eingeschüchterten Dienstmägde.
Eindrucksvoll auch das Bühnenbild. An langen Stangen hängen Kleidersäcke in Reihen über der Bühne. Mal schweben sie vom Schnürboden herab, dann schaukeln sie sanft hin und her – ein ästhetischer Genuss und ein klug gewähltes Symbol für das Rollenspiel der Zofen.
Insgesamt eine gelungene Umsetzung des Genet-Stückes, das den Kontrast zwischen spielerischem Ritual von Erniedrigung und Aufbegehren und der tristen Realität der Zofen dank der exzellenten Darstellerinnen klar herausarbeitet.