Gegen das Unrecht auf der Welt
Die neuen Abenteuer des Don Quijote haben im Essener Grillo-Theater ihre Uraufführung erlebt. Autor Tariq Ali schickt seinen Helden mitsamt Knappen Sancho Pansa und zwei philosophierenden Vierbeinern aus, die Ungerechtigkeiten der Zeit anzuprangern. Das gut neunzigminütige Stück startet in einer Entbindungsstation, wo eine putzende Roma einer jungen Frau bei der Entbindung hilft und dafür Schläge bekommt. Weil das Baby blind zur Welt kommt, wird zugleich die Barackensiedlung der Roma vom Mob abgefackelt.
Der Ritter von der wahrhaft traurigen Gestalt - in Essen wird er von Silvia Weiskopf verkörpert - rät den Roma, sich doch an den Papst zu wenden. Der aber, so erfährt man, müsse vorsichtig sein beim Thema Roma, habe er doch gerade erst „die Nachfolge eines Bayern angetreten“. Solch ein Spruch hätte auch von den Karnevalisten kommen können, dann hätte es den obligatorischen Tusch gegeben.
Der bekennende Sozialist und Antiimperialist Tariq Ali nimmt in seinem Auftragswerk für das Schauspiel Essen dann sogleich die Banker auf's Korn. „Ihr produziert nicht mehr, was ihr benötigt, sondern nur Geld“, wirft ihnen der ziegenbärtige Don Quijote vor. Die gemischt-geschlechtliche Bankertruppe macht sich indes nur lustig und betont: „Macht ist das Lebenselixier.“ Und egal, ob Afghanistan, Irak oder Syrien. Wenn diese Macht bedroht sei, dann gebe es eben Krieg.
Sancho Pansa hilft seinem Ritter mal leidenschaftlich, oft ist er aber - getreu der Cervantes-Vorlage - der Warner und Mahner. Windmühlen gibt es keine auf der von Rudy Sabounghi gestalteten Bühne. Dafür taucht eine Bar auf, in der - wieso eigentlich? - Sartre und seine Simone über das Verhältnis von Intellekt und Leidenschaft diskutieren. Der französische Regisseur Jean-Claude Berutti hat manches in dem Stück gekürzt.
Was unter anderem bleibt, ist eine Szene, in der Sancho und Don Quijote von kahlköpfigen Neonazi-Schlägern zusammengeprügelt werden, weil sie sich schützend vor einen Straßenmusikanten mit Migrationshintergrund gestellt haben. Es folgt eine viel zu lange Szene, die im amerikanischen Lazarett in Landshut spielt, in dem verwundete US-Soldaten aus Afghanistan zusammengeflickt werden. Da ist denn auch ein Bett für den reichlich pathetischen Ritter frei und hier lernt er eine hübsche Dulcinea (Ines Krug) kennen, die ihm als Soldatin mehr als nur Avancen macht.
Und dann taucht noch ein knappes Dutzend homosexueller Wüstensöhne auf, die - auch viel zu lang - zur Gründung eines schwulen Staates Sodom aufrufen. Das leitet die Schlussphase ein. Da stehen der Don und Sancho am Horn von Afrika, wollen den Piraten helfen und werden doch von den Amerikanern erschossen. Weil das für Tariq Ali aber zu traurig wäre und der Ritter ohne Furcht und Tadel weiterleben muss, löst der Knappe am Ende noch Flugtickets nach China. Da gibt's ja auch genug anzuprangern.
Eineinhalb Stunden Theater, manchmal mehr als schleppend und reichlich moralisierend sind zu Ende. Pferd Rosinante (Ingrid Domann) und Maultier (Jan Pröhl) haben sich wacker gehalten, auch wenn sie nach der Hälfte des Stücks nur noch als halber Vierbeiner die hohe Literatur und Philosophie bemühen. Der Applaus des Premierenpublikums am Ende ist laut, lang und begeistert.