Übrigens …

Die Präsidentinnen im Köln, Schauspiel

„Das Leben verbraucht eben, was es will.“

Werner Schwabs Stücke sind überwiegend wortreiche Albträume und sehr realistische Vorstellungen einer verqueren Fantasie. Werner Schwab, 1958 in Graz geboren und früh im Alter von 35 Jahren auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn an den Folgen unmäßigen Alkoholgenusses verstorben, war ein zutiefst unglücklicher Mensch, der sagte: „Er kann ja seinen eigenen Menschen in sich nicht aushalten“.
Er prägte seine eigene, unverwechselbare Bühnensprache, mit der er sich in unerhörter Eile die Wut über das Kleinbürgertum, aus dem er stammte, von der Seele schrieb. Seine Charaktere sind geprägt von den seelischen Verkrüppelungen einer kleinkarierten Gesellschaft, in der sie Randfiguren bleiben, die nie eine Chance im Leben hatten bzw. haben werden.

Erna, Grete und Mariedl sind die Präsidentinnen, drei Frauen von unten, Hinterbänklerinen im Leben. Sie sitzen in Ernas Wohnküche, sehen sich im Fernsehen eine Papst-Messe an und kommen ins Reden über das eigene Leben und Gott und die Welt. Weil aber das eigene Leben schwer, der liebe Gott fern und die Welt schlecht ist, träumen sie sich hinauf in lichtere Höhen des Daseins. Erna, die fromme, sparsame Pensionistin mit dem oft betrunkenen Sohn Hermann ist dem strenggläubigen Metzger Wottila, den Grete gehässig den „polnischen Leberkäsbischof“ nennt, ergeben. Grete, eine dralle Witwe, hat nur noch die Dackelhündin Lydia, seit Tochter Hannelore, der ihr Vater Kurti sehr zu Leibe rückte, nach Australien entschwand. In ihrer Wunschfantasie sieht sie sich in den Armen des feschen, spitzbübigen Tubaspielers Freddy. Und Mariedl, die Klofrau aus Überzeugung, erlebt den Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere, als sie auf einem Fest, bewundert von allen und von dem schelmisch lächelnden Herrn Pfarrer mit Gulasch, Bier und Parfüm belohnt, so manch verstopften Abort reinigt. Jede kämpft für sich und gegen die anderen, wenn sie von ihren Wunschvorstellungen berichten. Echte Kommunikation zwischen den dreien gibt es kaum. Schließlich platzen diese Lebenslügen, als Mariedl sie in grausamer Naivität auf ihre Wahrscheinlichkeit überprüft. Die Sprache ist ordinär, direkt und brutal. Aus dem Gegensatz zwischen derben Formulierungen, Aneinandervorbeireden und dem Wunsch nach Anerkennung und Liebe ist ein schockierendes und zugleich sehr komisches Schauspiel geworden.

Jan Bosses Inszenierung ist bereits acht Jahre alt, was ihrem pointiertem Charme und bösem Witz keinen Abbruch tut. Schon das überaus fantasievolle Bühnenbild von Stéphane Laimé lässt einen aus dem Schauen nicht herauskommen. Gebaut wie ein Triptychon, erscheint es wie ein absurder Zauberladen, vollgestopft mit allerlei Krimskrams und Trödel: zahlreiche Schränkchen und Schubladen, Spielzeug, Kuscheltiere, Bilder, Spieluhren und Knochen, manche Marienfigur und andere religiöse Symbole, blinkende Lämpchen und Lichterketten – all dies schafft einen surrealen Platz, an dem die großartigen Schauspielerinnen in ihren pastellfarbenen Gewändern jammern, geifern und exzessiv träumen. Karin Neuhäuser gibt wunderbar eine ordinäre Grete, die den Freuden des Lebens durchaus nicht abgeneigt ist. In ihrem schrillen Outfit (rosa Kleid, dick geschminkt, blonde Walleperücke) erinnert sie an eine abgetakelte Puffmutter, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Olivia Grigolli ist eine hinreißende, frömmelnde Erna, die mit dem Schleier über dem Kopf fast an eine Marienstatue erinnert, und Yvon Jansen glänzt als naives Mariedl, das sich in euphorische Ektase redet, wenn sie von dem gummihandschuhlosen Säubern der Toilette schwärmt („Mariedl macht’s auch ohne“) und dann am Ende brutal die Träume der anderen zertrümmert.

Ein überaus ideen- und temporeicher Abend, der den Text dieses Fäkaliendramas dank der exzellenten Darstellerinnen kongenial umsetzt. Unbedingt sehenswert.