Miss Sara Sampson im Theater Münster

Suche nach dem Leben

Es ist schon ein ziemlich heruntergekommenes Hotel, in das Mellefont seine junge Geliebte Sara geführt hat. Mareike Porschka genügen für ihr Bühnenbild ein Clubsessel und ein altes Klavier, um die Aura des Vergänglichen auf die Bühne zu bringen.

Und dann ist da der Fahrstuhl, den Sara immer wieder ruft, der sie wegbringen könnte aus der ganzen verfahrenen Situation - den sie dann unverrichteter Dinge wieder verlässt.

Dabei ist Sara eigentlich trotz ihrer Jugend eine ganz schön selbstständige junge Dame mit Girlie-Attitüde. Aber sie ist auch eine Suchende, fragt nach ihrer Bestimmung im Leben. Und das bringt Lilly Gropper mit ganz großer Konsequenz zur Geltung. Ihre Sara ist spontan, liebenswert, aber auch von einer glasklaren Härte, wie sie nur Jugend zeigen kann.

Regisseurin Kathrin Mädler kann sich auf ihre Akteure verlassen, schafft es, Charaktere herauszuarbeiten und Lessings Miss Sara Sampson nicht nur äußerlich aus der Zeitgebundenheit zu lösen, sondern die Konflikte, Freuden und Ängste als ganz aktuell zu entfalten.

Da ist Mellefont, ein mittelloser Macho, dessen Rolle durch permanente Selbstzweifel ad absurdum geführt wird. Ilja Harjes formt diesen gebrochenen Charakter konsequent: Das Mitleid mit Mellefont überwiegt schließlich. Gerhard Mohr als Vater Sampson ist ja so was von gütig. Da kann man Saras Wut und ihre Ohnmacht im Verhältnis der beiden sehr gut nachvollziehen. Und es hätte ja auch alles gut werden können, wäre da nämlich nicht die Marwood: Claudia Hübschmann ist Mellefonts Ex-Geliebte und gibt sie mit einer unnachahmlichen Mischung aus Frustration, Verzweiflung, Desillusionierung und einer gehörigen Portion verbliebener Restliebe. Das ist pures Dynamit und die Beruhigungstabletten ein Muss. Das gerade sie zum Affektmord beitragen, ist eigentlich nur logisch.

Gropper und Hübschmann sind wahre und würdige Antipoden: unverbraucht und lebensgierig die Eine, vom Leben gezeichnet die Andere. Ihr Dialog sprüht und schlägt Funken.

Ein Coup der Regie ist die Person des Barpianisten: gleichzeitig Souffleur und musikalischer Kommentator der Szene, der formidabel Chopin, Haydn und vieles mehr auf die Tasten legt. Andreas Abegg macht das ganz großartig – eine perfekte Klammer für die Handlung.

Wenn am Ende alle Toten aufstehen und Sara die Vorhänge öffnet, somit Licht in die Hotelhalle einlässt, ist das ein schönes Plädoyer für das Leben.

Und die Inszenierung besticht nicht zuletzt auch durch die Sprache: dem Team ist es gelungen, der eher ungewohnten Sprache Lessings – fast unbearbeitet - durch tolle Schauspieler eine ungeheure Lebendigkeit zu verleihen.