Übrigens …

Bunbury im Schauspielhaus Düsseldorf

„Natürlichkeit ist eine Pose, die sich schwer durchhalten lässt“ (Oscar Wilde)

Das Thema von Bunbury – The Importance of Being Earnest aus der Feder von Oscar Wilde, das beste Beispiel für eine Lügenkomödie, ist das Missverhältnis zwischen Sein und Schein. „Der Mensch ist am wenigsten er selber, wenn er in seiner eigenen Person spricht. Man gebe ihm eine Maske, und er wird die Wahrheit sagen“, so Oscar Wilde. Seine „triviale Komödie für ernsthafte Leute“, wie es im Untertitel heißt, unterscheidet sich von allen ähnlichen Komödien der Weltliteratur dadurch, dass das Lügen hier nicht bestraft, sondern belohnt wird. Die ausgedachte Rolle erweist sich am Ende als berechtigt, die erdichtete Existenz wird Realität.

Oscar Wildes Bunbury wurde 1895 uraufgeführt. Schon in dem Langtitel Wie wichtig es ist, ernst zu sein spiegelt sich die Ironie dieser turbulenten Verwechslungskomödie: im Wortspiel zwischen „Ernst“ als Name und „ernst“ als Eigenschaft. Zwei junge Männer sind befreundet. Jack, ein sozialer Aufsteiger, lebt auf dem Lande und hat, um sich gelegentlich in der Stadt vergnügen zu können, einen dort lebenden Bruder erfunden, Algernon hingegen lebt in der Stadt. Er dachte sich einen auf dem Lande lebenden kranken Freund namens Bunbury aus, den er betreuen muss, um unter diesem Vorwand den Freuden des Landlebens fernab der Familie frönen zu können.
Wildes erfolgreichstes Werk lebt von unwahrscheinlichen Konfusionen, vom schnellen Rollenwechsel der Personen. Alle Figuren – auch die jungen Damen, denen Jack und Algernon verfallen, und eine Tante – spielen mehrere Rollen bzw. zeigen die unterschiedlichsten Facetten. Höchst vergnüglich und zugleich entlarvend sind die leicht daherkommenden, geistvollen Dialoge. Dahinter steckt jedoch Wildes Kritik an der viktorianischen Gesellschaft mit ihrer übersteigerten Wertschätzung von Rang, Namen und Herkunft. Eingeübtes Rollenspiel wird als oberflächlich und unehrlich gebrandmarkt.

Der Regisseur Sarantos Zervoulakos, 1980 in Thessaloniki geboren und bei Iserlohn aufgewachsen, inszenierte in der letzten Spielzeit in Düsseldorf schon Medea am Jungen Schauspielhaus.
Bei Bunbury setzt er in erster Linie auf die eloquenten Redewechsel und lässt daher auch in einem kargen Bühnenbild spielen. Wir fühlen uns an ein Fotostudio, mit großen Lampen auf beiden Seiten, erinnert, in dem sich zu Beginn der Dandy Algernon (Ingo Tomi gibt ihn gekonnt albern-oberflächlich und exaltiert) auf einer Ledercouch fläzt und, nur mit einer Unterhose nach durchzechter Nacht bekleidet, vergeblich nach einem Schluck in einer der leeren Champagnerflaschen sucht. Nonchalant plaudernd, verzehrt er die für seine Tante Agatha eigens georderten Gurken-Sandwiches und belehrt seinen Freund Jack Worthing (Christoph Scheckinger in Strickpulli, Jeans und Kassenbrille wirkt dagegen kreuzbrav und bieder) mit so tiefschürfenden Erkenntnissen wie: „Romantik beruht auf Ungewissheit“. Tina Engel ist eine höchst amüsante boshafte Lady Bracknell, die - technisch ganz auf der Höhe – ihr Handy nach der Liste der akzeptablen Heiratskandidaten der Society durchsucht, als sie Jack inquisitorisch nach seinen Qualitäten als potentieller Ehemann für ihre Tochter Gwendolen (gut als zickige, möchte-gern-emanzipierte junge Frau der höheren Gesellschaft: Stefanie Rösner) befragt. Stephanie Reinsberger spielt Cecily, Worthings Mündel und Algernons Angebetete. Sie überzeugt als junges lebenshungriges Mädchen, das die „Revoluzzerin im Kleinformat“ gibt, wenn sie gegen die gut gemeinten Bildungsratschläge ihrer Erzieherin Miss Prism aufmuckt. Claudia Hübbecker spielt diese altjüngferliche Gouvernante.

Der Regisseur verwandelt den Butler in Wildes Stück in einen Barpianisten (Wojo van Brouwer). Dieser gibt sehr unterhaltsam während eines Umbaus, dessen Resultat ein Swimmingpool ist, in den dann die zwei Paare hineinspringen dürfen, den Song „Alles von mir“ zum Besten. Dennoch fragt man sich, ob diese Unterbrechung nicht den Fluss des wortgewandten Textes allzu bremst. Und ob die wiederholte Planscherei im Schaumbad des Pools wirklich nötig ist.

Ein Abend mit hervorragenden Schauspielern und einem immer noch ironisch-unterhaltsam wirkenden Wilde-Text, der manchen Aktualisierungsversuch (so bezahlt Worthing eine Rechnung mit seiner Kreditkarte) nicht nötig gehabt hätte.
Dem Publikum gefiel es.