Übrigens …

Dinner for One - Killer for Five im Köln, Theater Tiefrot

Mörder gesucht

So wie für Musikfreunde das Wiener Neujahrskonzert Kult ist, so der Sketch Dinner for one für Comedy-Fans. Wer sämtliche Details und Nebendetails über dieses verrückte Stück erfahren möchte, wird bei Wikipedia fündig. Dort erfährt man u.a., dass Butler James insgesamt elf Mal über den Kopf im Tigerfell stolpert und als Vorsuppe „Mulligataway“ serviert, weiterhin, dass ein besonders lautes Zuschauerlachen aus der Kehle von Sonja Göth kommt, der Frau des bei der Aufzeichnung tätigen Oberbeleuchters. Auch das künstlerische Nachleben von Dinner for one wird minutiös dokumentiert. Es fehlt allerdings Dinner for One - Killer for Five von Gerold Theobalt. Das freilich hat seinen Grund.

Der frei schaffende Autor und Dramaturg, 1957 in Gelsenkirchen geboren, heute in Wuppertal ansässig, hat schon die unterschiedlichsten Stoffe für die Bühne adaptiert. In Tiefrot kamen 2003 Bel ami nach Maupassant und 2004 La Strada zur Aufführung. Jetzt erlebte man dort seine Kriminalkomödie, welche die Vorlage Dinner for one nicht ist. Aber Theobalt will ja nicht einfach die Fernseh-Story rekapitulieren, er geht vielmehr der Frage nach, was es mit den Silvester-Gästen von Miss Sophie auf sich hat, die allesamt tot sind, also gar nicht existieren, und dennoch von Butler James aufs Höflichste bedient werden. Und er muss in deren Rollen schlüpfen, um auf Miss Sophies „Skal“ angemessen antworten zu können. Dass der bei dieser Gelegenheit reichlich genossene Alkohol sein Butler-Verhalten fast vollständig ruiniert, kann nicht ausbleiben.

Dieses langsam wachsende Delirium von James hat Theobalt beibehalten, und Janosch Roloff spielt das im Tiefrot herrlich skurril, mit seinem ständig gebücktem Körper fast sogar etwas dämonisch. Dabei gibt er einen noch ganz jungen Mann. Kein Wunder, denn die Theobalt-Geschichte blendet von Miss Sophies 90. Geburtstag sechs Jahrzehnte zurück. Da war die Herrin von Rosen Manor noch eine kesse, knackige Frau. Entsprechend wird sie von Julia Karl gegeben: aufreizend weiblich und von immer neuen Laufsteg-Kleidern (Dejan Radulovic) eingehüllt. Miss Sophie führte einst nicht nur ein weitschweifiges, sondern auch ein ausschweifendes Leben. In der Riege ihrer Lovers spielte James keine unbedeutende Rolle. Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom waren dem Lotterleben von Miss Sophie auf die Schliche gekommen, mussten für ihre Entdeckung aber büßen. Wie sie zu Tode kamen und was es mit dem fünften Mann auf sich hat (Killer for Five !), darf gerechterweise nicht verraten werden, um künftigen Zuschauern nicht die Spannung zu nehmen.. Nach zwei Stunden Aufführungsdauer mündet das neue Stück in das alte. Miss Sophie und James stehen an der Treppe zum Schlafzimmer: „The same procedure as last year““, so Frage und Antwort - und danach „Well, I’ll do my very best“.

Regisseur Volker Lippmann tut his very best, um einen flotten Abend auf die kleine Tiefrot-Bühne zu zaubern, und das ist ihm wahrlich gelungen. Seine inszenatorischen Mittel sind nicht zimperlich, aber Boulevard braucht das. Es darf also ausgiebig grimassiert, gestolpert und gefuchtelt werden. Das gilt nicht zuletzt für das eifrige Polizei-Duo Thomas Krutmann (Inspektor Degraven) und Maxi von Mühlen (Constabler Oggerty), letzterer in der Darstellung etwas feingestrickter. Den Vogel schießt Jörg Kernbach ab, der in die Haut der Verblichenen und anderer Personen schlüpft, mal wie Hitler schnarrt, mal wie Kinski säuselt. Köstlich! Der schwule Fitness-Trainer ist eine Nummer für sich. Bei aller Drastik gerät Lippmanns Inszenierung nicht plump, wird clever und hintersinnig von Anspielungen und Zitaten durchzogen. Könnte ein Renner am Haus werden.