Übrigens …

Der Geizige im Schauspiel Essen

Geld regiert die Welt

Der Geizige wurde 1668 im Palais Royal in Paris uraufgeführt, Molière selbst spielte die Rolle des Harpagon. Er ist die Hauptfigur in dieser Komödie, die auch durchaus tragische Züge aufweist: ein reicher Bürger, der die Tugend der Sparsamkeit zur krankhaften Form hin entwickelt hat. Der stolze Besitzer einer gut gefüllten Schatulle und Wucherer Harpagon will seine Kinder Elise und Cléante reich verheiraten, selber aber die junge, mittellose Marianne zur Frau nehmen, die aber sein Sohn liebt. Elise, heimlich mit Valère verlobt, soll mit dem älteren Witwer Anselmo verheiratet werden. Als der Schatz Harpagons verschwindet – La Flèche, der Diener Cléantes, nimmt ihn an sich, um seinem Herrn ein Druckmittel gegen den geizigen Vater in die Hand zu geben - , erreichen die Verwirrungen, Missverständnisse und Verwechslungen bei den Untersuchungen des Diebstahls ihren Höhepunkt.
Die fortschreitende Selbstenthüllung des geizigen Harpagon – possenhaft, burlesk – steht im Zentrum des Stückes. Doch Der Geizige ist nicht nur eine Charakter-, sondern auch eine Gesellschaftskomödie. Molière kritisiert stets, wenn er die Schwächen seiner Figuren dem Lachen preisgibt, auch deren Umwelt. Die Kinder Harpagons lernen viel über Egoismus vom Vater, wissen Luxus und Verschwendung durchaus zu schätzen. Und gerade dieser Aspekt, die „Gesellschaft des Geizes“ bzw. die „Gesellschaft auf Pump“ machen Molières Stück zu einem ganz modernen Stück.
Molière zeigt uns keine Therapie des pathologischen Geizes. Zum Schluss, wenn der reiche, adlige Anselmo wie von Zauberhand die Konflikte auflöst, erweist sich nur eins: „noch mehr Geld“ ist dem Geld ebenbürtig.

Jasper Brandis, Jahrgang 1971, inszenierte am Schauspiel Essen in der vergangenen Spielzeit Werner Schwabs Die Präsidentinnen. Das Bühnenbild zu seiner temporeichen Umsetzung des Geizigen realisierte das erprobte Team Katrijn Baeten und Saskia Louwaard. Eine große Treppe zieht sich quer über die Bühne. Sie steigt, vom Zuschauerraum aus gesehen, nach hinten an. Verschiedene Falltüren erlauben effektvolle Auftritte bzw. Abgänge. Die Duke Ellington-Komposition Caravan wird immer wieder, in verschiedenen Versionen, eingespielt und trägt zum Show-Charakter dieser Bühnengestaltung bei. Die Schauspieler tragen Klamotten von heute. Auch das verstärkt die Aktualisierung von Molières bösartiger Komödie.

Thomas Büchel ist ein großartiger Harpagon, dem man die fanatische Geldbesessenheit in jeder Minute glaubt. Mit Hornbrille und beige-gemustertem Pulli stolziert er über die Bühne, schnell wechselnd zwischen autoritärem Vater, Süßholz raspelndem Verehrer der jungen Marianne (Anne Schirmacher glänzt als prollige Ruhrpott-Tussi: „Oh, nääh!“) und fast überschnappend nach der Entdeckung des Diebstahls. Wenn er sogar dem Publikum abwechselnd mit Folter droht oder es anfleht: „Gebt mir mein Geld zurück!“. Jeder Zoll ein Tragikkomiker. Ingrid Domann ist eine witzige, quirlige Heiratsvermittlerin im Silberglitzerkleid, die sich ihrer Fähigkeiten rühmt: „Wenn Sie wollen, verheirate ich selbst den Papst mit einer Muslimin“. Stefan Diekmann und Floriane Kleinpaß spielen Sohn und Tochter des Geizhalses.

Brandis hat manch amüsanten Einfall, der gut zur Komödie passt. So lässt Cléante auf Kosten des nichts ahnenden Vaters Speisen nicht auftragen, sondern auf einem Fließband hineinfahren. Worauf sich natürlich alle gierig stürzen, will doch jeder immer seinen Profit aus jeder Situation schlagen. Manch anderer aufgesetzte Gag, so der gewollt witzig inszenierte Auftritt des Kommissars, zieht den Abend unnötig in die Länge.

Insgesamt aber eine kurzweilige Produktion mit einem spielfreudigen Ensemble.