Eine Geschichte von Sehnsucht und Liebe
Joachim Król, bekannt u.a. als einer der Tatort-Kommissare, gastiert an mehreren Orten der Republik mit seinem Programm Seide. Króll liest Alessandro Barricos Roman Seide, eine Parabel auf die Liebe, die Utopie und auf das Glück. Eine kluge und poetisch formulierte Erzählung, die nicht ohne Grund ein Weltbestseller geworden ist.
Der Protagonist ist der südfranzösische Seidenhändler Hervé Joncour, der in die weite Welt reist, um Seidenraupen für seinen Heimatort Lavilledieu zu kaufen. Da in Afrika und Europa eine Krankheit die Seidenraupen fast völlig vernichtete, schickte ihn der tatkräftige Unternehmer Baldabiou mit einer großen Geldsumme der Seidenproduzenten seiner Heimatstadt nach Japan, einem damals – die Geschichte spielt in den 1860iger Jahre - unbekannten Land. Hervé: „Und wo genau soll dieses Japan liegen?“ die Antwort: „Immer geradeaus. Am Ende der Welt“.
Kròl vermittelt äußerst einfühlsam die Begegnung Hervés mit einer fremden Kultur, die sich von der Außenwelt abzuschirmen wusste. Die Musik des South of the Border Jazztrios kommentiert und illustriert dabei die verschiedenen Stimmungen des ungemein ins Detail gehenden Textes. Wir reisen sozusagen mit Hervé in diese mysteriöse Welt, teilen seine Eindrücke und Empfindungen, so auch seine Leidenschaft für eine rätselhafte Frau – einem jungen Mädchen, dessen „Augen nicht asiatisch geschnitten waren“. Berührend die Metamorphose eines von Hause aus gefestigten Mannes zu einem sehnsüchtig Liebenden, dessen Leben fortan von der Sehnsucht nach dieser Frau, welche ihn allein durch ihren tiefgründigen Blick verzauberte, bestimmt wird.
Kròl liest die unterschiedlichen Rollen sehr facettenreich – mal lebhaft, dann wieder sehr behutsam -, so dass sich vor dem Auge des Zuhörers die einzelnen Szenen und Personen, so auch die Figur von Hervés Frau, Hèlène, entfalten.
Dem Charme von Bariccos Sprache kann man sich nicht entziehen. Ein Beispiel: über Joncours Empfindungen an seinem 33. Geburtstag heißt es: „Sein Leben regnete vor seine Augen herab. Ein stilles Schauspiel“.
Ein beeindruckender Abend der leisen Töne über die Utopie einer vollkommenen Liebe.