Übrigens …

I can't imagine tomorrow im Theater Münster

I can't imagine tomorrow

Auf menschliche Wärme, Lebensfreude oder Zuversicht hofft man vergebens bei Tennessee Williams. Er ist der literarische Meistermaler pessimistischer Lebensbilder. Fast alle seine tristen Dramen von der Glasmenagerie über Endstation Sehnsucht bis zu Die Katze auf dem heißen Blechdach wurden nach Broadway-Erfolgen verfilmt. Kaum bekannt dagegen sind die einaktigen, psychologisch scharfen Miniaturen des amerikanischen Vielschreibers. Das Theater Münster wählte aus den rund 40 Kurzstücken drei Dialoge aus, die sich - derart aneinander gereiht (Regie: Frederik Tidén, Dramaturgie: Kathrin Mädler) - als hoffnungslose Lebensgeschichte eines Paares lesen lassen. Endstation Sehnsucht könnte über diesem kurzen Abend stehen.

Der neue kleine Spielraum U2 im tiefen Keller eignet sich perfekt für die Zwei-Personen-Stücke. Die Nähe zwischen Spielfläche und Zuschauertribüne schafft eine fast voyeuristische Intimität - wie in einem Hotel, wo man Wand an Wand mit fremden Menschen logiert. In einem trostlosen Hotelzimmer (Ausstattung: Kerstin Bayer) spielen denn auch die beiden ersten Szenen: ein Paar auf Hochzeitsreise während des Urlaubs von der Front im Vietnamkrieg. Während der junge Mann mit Alkohol und ruhelosen Wanderungen durch die fremde Stadt quälende Kriegsbilder zu verdrängen sucht, ist das Mädchen offenbar von einem Fremden vergewaltigt worden, peinigt den Ehemann aber auf die Frage nach den Hämatomen und Kratzwunden an ihrem ganzen Körper, indem sie von den grünen Augen des Fremden und ihrer beider Leidenschaft schwärmt.

Danach rekapituliert er, im schummerig dunklen Raum mit Mikro in der Hand auf der Bettkante hockend, Alpträume, offenbar Chiffren für die Kälte der Mitmenschen: in einer Badewanne voller Eiswürfel sitze er und gehe verloren, herumgereicht in der Stadt wie ein Pornobild – „Sprich zu mir!" beschwört er die durch den Raum hastende, räumende Frau immer wieder. Danach haucht sie in das Mikrophon - beklagt ihre verlorenen Wünsche und Träume: dicke Bücher habe sie lesen wollen, eins werden mit den großen Dichtern, ins Kino gehen... Aber dann seien ihre Haare grau geworden und schließlich weiß - die Bücher alle ungelesen, 50 Jahre voller Ängste, Pflichten, Freuden vergangen. Als das Licht angeht, setzt sie das Messer an ihren Hals, wirft es dann weg, wickelt sich die Telefonschnur um den Hals, sagt „Ich will hier weg... aus dem Land des Drachen, dem Land des Schmerzes".

Weiß geschminkte Gesichter haben beide nun. Sie trägt eine Perücke, er eine „eiscreme-weiße" Jacke. Sie residiert in einer Wohnung (die aber der schäbigen Absteige von vorher gleicht), schwerkrank offenbar und bettlägerig. Er hat noch immer ein kleines Hotelzimmer und kommt allabendlich zu ihr zum Kartenspielen. Aber wie in der ersten Szene fällt sie über den zitternden, unter schweren Depressionen leidenden Lehrer her, peinigt ihn mit Zynismus und verachtenden verbalen Hieben. Erst als sie sich in ein anderes Zimmer begeben will, wird klar, dass sie viel zu gebrechlich ist, auf dem Boden liegen bleibt. Seine zaghaften Hilfsangebote wehrt sie ab.

Der mittlere Teil dieser tragischen Trilogie ist der poesievollste. So nah scheint für Momente die Hoffnung auf ein besseres Leben - aber immer wird es regnen. Man sieht förmlich Tränen der Trauer über ein vertanes Leben unaufhörlich tropfen wie der Regen draußen.

Lilly Gropper und Dennis Laubenthal verkörpern mit intensivem Realismus Mädchen und Junge in Grüne Augen, Frau und Mann in Sprich zu mir wie der Regen, und ich hör' dir zu..., Eins und Zwei in Ich kann mir ein Morgen nicht vorstellen.  Der Tenor bleibt gleich: man quält sich mit Unterstellungen, Vorwürfen voller Zynismus, sie igelt sich ein, lässt ihn nicht näher kommen, kommt ihm nicht entgegen. Er ist der Weiche, unfähig sich von dem Biest zu lösen. Verbunden sind sie durch ihre Einsamkeit und Sehnsucht, getrennt vom Lebensglück durch eine unüberwindliche Mauer in sich selbst. Ein eindrücklicher Theaterabend..