Kuss im Schauspielhaus Düsseldorf

Kann eine Soap-Opera die Brutalität eines Krieges widerspiegeln?

Der chilenische Autor und Regisseur Guillermo Caldéron inszenierte im Kleinen Haus sein Stück Kuss, eine Auftragsarbeit für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Es handelt vom Bürgerkrieg in Syrien, über den er sich in vielfacher Weise informiert hat, mit dem er aber persönlich nie in Berührung kam. Caldéron hat sich bewusst dafür entschieden, das Thema aus einer Perspektive anzugehen, die hierzulande fast alle haben. Das heißt, es ist kein dokumentarisches Werk.

Der Abend besteht aus drei Teilen. Zunächst lernen wir zwei Freundespaare kennen, die sich regelmäßig treffen, um im Fernsehen ihre Lieblingssoap anzusehen. Ein ganz normaler Tag in Damaskus im Jahr 2014. Handlungsort ist ein Wohnzimmer mit einem großen TV-Bildschirm. Hadeel, eine junge Frau, schaut fern. Der erste Gast des Abends ist Youssif, der Freund von Bana. Ziemlich abrupt macht er ihr einen Antrag, erklärt ihr seine Liebe (“Ich brauche dich“). Nach einigem Zögern gesteht auch Hadeel ihm ihre Liebe, gequält von Selbstvorwürfen ihrem Freund Ahmed gegenüber. Dieser trifft wenig später ein. Auch er macht ihr einen Heiratsantrag. Youssifs Freundin Bana ist der letzte Gast des Abends. Schnell kommt es zu mehr oder weniger pathetischen Gefühlsausbrüchen innerhalb des Quartetts – eine Soap für sich.

Dann treten die Schauspieler aus ihren Rollen. Per Skype nehmen sie Kontakt mit einer jungen Syrerin (gespielt von der syrischen Schauspielerin Nadin Jaroubi), die sie für die Autorin der gerade gespielten Soap halten. Die Darstellerin der Bana outet sich als Regisseurin der TV-Schmonzette und führt in erster Linie das Gespräch. Schnell wird klar, wie wenig wir eigentlich über den Krieg in Syrien wissen. Vielleicht deshalb ist dieser zweite Akt der überzeugendste und packendste Teil des Abends, erfahren wir doch von dieser Frau, die sich als Schwester der Autorin – sie kam bei Bombenangriffen der Regierung auf Damaskus ums Leben- zu erkennen gibt bestürzende Fakten über die Kriegsgreuel. Entlarvend ihre Bemerkung: „Ihr interessiert euch doch im Moment alle für die Ukraine“.

Im letzten Teil erfolgt der Wiedereinstieg in die Soap, jedoch insofern in einer verschärften Version, als der Kriegsalltag punktuell mit einbezogen wird. Hadeel hustet ununterbrochen – so wie es Opfer eines Giftgasanschlags tun. Und was bedeutet der Titel Kuss? Im Syrien von heute: Vergewaltigung und Folter. Eine krasse Umkehr der Bedeutung.

Der Abend wird von einem sehr engagierten Ensemble getragen (Simin Soraya als Hadeel, Marian Kindermann als Youssif, Gregor Löbel als Ahmed, Anna Kubin als Bana).

Caldéron will mit den Mitteln von Theater und Kunst als „Übungen der Vorstellungskraft“ uns das Thema Krieg näher bringen. Das gelingt dem Autor nur in wenigen Szenen.