Schwierige Demaskierung
Christian von Treskow, der scheidende Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen, ist ein echter Teamplayer. Nie hat er versucht sich als Autokrat, als Kulturkönig zu profilieren, wie viele seiner Kollegen. Er hat in seiner Wuppertaler Zeit viel probiert und – auch oder gerade, weil nicht alles geklappt hat – viel bewegt. Er hat ein wirklich starkes Schauspielerensemble geformt und mit Die Kontrakte des Kaufmanns, Trilogie der Sommerfrische und zuletzt Maria Stuart Inszenierungen geschaffen, die zu Recht auch überregional enthusiastisch aufgenommen wurden. Es ist typisch für von Treskow, dass er in seiner letzten Arbeit nicht ein Stück zeigt, dass er „immer schon mal machen wollte“, sondern auf diesem prominenten Spielplanplatz einen Wunsch des Orchesters erfüllt.
Erich Wolfgang Korngolds Bühnenmusik zu Viel Lärmen um Nichts entstand 1918, beauftragt vom Theatermagier Max Reinhardt, der offensichtlich einerseits das romantische Potenzials Stückes zum Klingen bringen, andererseits der oft wirr überbordenden Komödie, dem Wer-mit-Wem-oder-Warum-nicht Struktur geben wollte. Die Wuppertaler Sinfoniker, platziert hinter einer Glasscheibe über der Bühne, spielen unter Tobias Deutschmann mit sozusagen überwältigender Dezenz. Elegante Musik ist das, momentweise bedenkenlos gefühlig, immer wirkungs- und stimmungsstark, moderne Filmmusik, 15 Jahre bevor sich das Genre entwickelte. Und Christian von Treskow misstraut ihr. Er schmiegt sich nicht hinein. Jürgen Lier hat ihm ein Schwimmbad gebaut – als Ort der Demaskierung, des Sich-Nicht-Verstecken-Könnens. Dazu hat Kristina Böcher die Schauspieler in Body-Suits und Clowns-Kostüme verpackt. Da werden die Späße, die Gag-feuerwerke, die Situationskomik von selbst schal, wirken sie doch nie spontan entwickelt, sondern stets wie von professionellen Spaßmachern serviert. Der Regisseur sucht die Menschen hinter der Maske und findet – Berechnung und Niedertracht. Ihre Einsamkeit und Melancholie hat er nicht gefunden. Oder er wollte sie nicht zeigen.
So baut von Treskow ein großes, genau ausgeleuchtetes und standfestes dramaturgisches Gebäude. Aber die Komödie kippt aus dem Gleichgewicht. Die brillanten Wort-Gags, die Wiederholungs-Witze, die Slapstick-Einlagen zünden oft nicht, weil sie dem Großen Ganzen dienen und nicht einfach mal so Spaß machen dürfen. Dass der Abend dennoch erstaunlich gut funktioniert, liegt an den Schauspielern. Noch einmal ist zu sehen, auf welch hohes Niveau Christian von Treskow sein Ensemble in den vergangenen Jahren geführt hat.
Julia Wolff und Marko Wohlwend führen das Ensemble als Beatrice und Benedict mit ruhiger, gelegentlich tänzerischer Eleganz. Zwischen ihnen sprühen die Funken auch wortlos. Lauter sind da schon Markus Haase als Prinz und Jochen Langner als Gouverneur Leonato. Sie spielen die Patriarchen, die Rechthaber aus Alter und gesellschaftlicher Position, mit parodierendem Imponiergehabe. Jakob Walser und Anne Simmering haben es als, in doppelter Hinsicht, niederes Paar nicht leicht, schaffen aber starke Figuren. Dazu die Chargen: Hanna Werth als unglaublich charmantes, hier schwedisches Dienstmädchen, das immer wieder wild mit dem Publikum flirtet; Thomas Braus als vergreister, auf Miniaturstöckchen gestützter Gouverneursbruder und stets berühmte Shakespeare-Zitate fallen lassender Assistenzbösewicht; und vor allem Heisam Abbas. Er gibt gleich drei Figuren, dem bösen Bruder des Prinzen, dem freundlichen Mönch und dem, als Bademeister daherkommenden, durchgeknallten Dorfbeamten genau umrissene Typenstruktur.
Und das macht dann doch einfach Spaß.