Sterben ist eine Kunst
Diese Danses Nocturnes kommen wie ein düsterer Totentanz daher. Als ein Melodram, gespeist aus der Bildmacht der Lyrik, kommentiert durch eine herbe, brüchig anmutende, spröd expressive Cellomusik. Die Szene: ein schwarzer Raum nebst zwei Hockern. Ein dunkles Kammerspielambiente, begrenzt lediglich durch Glühlämpchenketten links und rechts am Boden. Die wirken ein wenig fehl am Platz, doch geschenkt: Die Intensität, mit der Schauspielerin Charlotte Rampling und Cellistin Sonia Wieder-Atherton deklamieren und musizieren, sei’s jede für sich oder beide zusammen, ist beeindruckend, ja beklemmend.
Das liegt am Stoff. Rampling rezitiert Gedichte von Sylvia Plath. Jede der virtuos komponierten Zeilen birgt ein neues Bild, in aller Rätselhaftigkeit satt und brillant koloriert. Die Amerikanerin erzählt in ihrer Lyrik von einer (häuslichen) Welt, in der sie sich fremd fühlt. Todessehnsucht bestimmt den Inhalt. Als „Lady Lazarus“ dichtet sie: „Sterben/ist eine Kunst, wie alles andere auch./Ich kann es besonders gut.“ In „Daddy“ spricht sie vom Vatermord, macht aus ihrem allmächtigen Beschützer einen Schergen der Nazis: „Einen Mann in Schwarz mit einem Mein-Kampf-Gesicht,/Mit einem Faible für Folter und Qual.“
Es ist diese Mischung aus Leere, Angst und Wut, die den Abend beherrscht und das Publikum bannt. Rampling scheut beim Vortrag sowohl die große Geste als auch eine Überzeichnung der Stimme. Ihre Blicke ins Nichts, ihre Posen sind Bedeutung genug. Sie steht aufrecht, herausfordernd da, im nächsten Moment hockt sie zusammengekrümmt am Boden oder liegt auf dem Hocker wie vom Schicksal bezwungen. So erzielt die Schauspielerin mit körperlichem Purismus ein Maximum an Wirkung.
Die Cellistin Sonia Wieder-Atherton spielt dazu Sätze aus den Cellosuiten Nr. 2 und 3 von Benjamin Britten. Musik aus dem Geiste Bachs, im Gewand der Expressivität des 20. Jahrhunderts. Oft dunkel tönend, ruppig aufbrechend, mitunter das Gesagte reflektierend mit schönen, wehmütigen Linien oder in purer Raserei. Die Solistin, nicht beständig intonationssicher, agiert mit kernigem Zugriff, körperbetont und, im Dienste des Ganzen, theatralisch.
Großer Applaus für ein Ereignis, das im Gedächtnis haften bleiben dürfte.