Nathans Tod in Jerusalem im Köln, Theater Tiefrot

Urfeindschaft, besiegbar?

Was den gegenwärtigen Weltunfrieden betrifft, so steht die Organisation „Islamischer Staat“ derzeit im Mittelpunkt öffentlichen Interesses und hat die Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern aus den Schlagzeilen verdrängt. Doch sicherlich nur vorübergehend. Der schon seit Jahrzehnten hasserfüllt schwelende Konflikt kommt trotz des einen oder anderen Waffenstillstandsabkommens einfach nicht zur Ruhe. Die beglückende Toleranz von Lessings Nathan dem Weisen mit seiner Ring-Parabel ist nur noch ein Gruß aus alter Zeit, heute registriert man betroffen Nathans Tod in Jerusalem. So heißt ein Stück von Ali Jalaly, einem zum Kölner gewordenen Iraner wie beispielsweis auch Navid Kermani auch (Vierzig Leben im Keller-Theater).

Das Drama beruht auf dem Roman Rückkehr nach Haif“ von Ghassan Kanafanis, einem arabischen Schriftsteller, welcher nach der Staatsgründung Israels 1948 aus seiner Heimat floh. Seine Themen waren seither Vertreibung, Exil und Widerstand. Mit nur 36 Jahren wurde er ein Bombenopfer des israelischen Geheimdienstes, Aus dem Roman gestaltete der israelische (!!!) Autor Boaz Gaon ein Bühnenstück, welches im Cameri-Theater von Tel Aviv uraufgeführt wurde. Der Sechs-Tage-Krieg lag damals noch nicht sehr lange zurück, umso stärker wühlte das Thema auf und sorgte auch für Proteste. Den krassen Schluss des Romans milderte das Drama ab. Auch bei der neuen Bühnenfassung von Ali Jalaly am Theater Tiefrot ist dies der Fall, die Konflikttiefe bleibt davon freilich unberührt.

Die Situation … Ein jüdisches Ehepaar, dem Holocaust entronnen, emigriert nach Israel, um hier eine neue, friedvolle Bleibe zu finden. Aus der ihm zugewiesenen Unterkunft müssen die arabischen Besitzer ausziehen und darüber hinaus ihren kleinen Sohn der Obhut der Zuwanderer überlassen. Zwanzig Jahre später kommt es zu einer vorübergehenden Rückkehr. Das arabische Ehepaar möchte noch einmal ihr Haus sehen, an welches so viele Erinnerungen geknüpft sind. Sie werden von der jüdischen Frau (ihr Mann ist inzwischen umgekommen) freundlichst empfangen, aber naturgemäß verläuft die Begegnung nicht ohne Konflikte. Sie kulminieren in der Begegnung mit dem leiblichen Sohn der beiden Araber, der sich inzwischen ganz als Jude fühlt und sich den einstigen Blutsbanden verweigert. Er kämpft sogar in der israelischen Armee, Erst langsam weicht die radikale Ablehnung einem neuen Gefühlsverständnis, eine Entwicklung, welche im Stück und auch in der Inszenierung Jalalys ein wenig leichthin anmutet. Der szenische Schlussakzent ist allerdings frappierend und verstörend. Während sich die Familien einander annähern, hört man draußen eine Bombenexplosion. Was in einem kleinen Kreis glücklich verlaufen mag, muss im großen Rahmen nicht unbedingt gelingen. Dennoch darf man dem Stück einiges an Hoffnung abgewinnen, zumal sich eine solche in der Realität hier und da auch konkretisiert. Gedacht sei an das wundervolle Projekt des Dirigenten Daniel Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra, welches die Welt sicher nicht gleich verändert, aber doch für Lichtblicke sorgt.

Die finale Konfliktszene wirkt auch dank der exzellenten Darsteller (Eva Marianne KraIss, Christina Woike, Inga Stück, Jürgen Clemens) zu Herzen gehend. Weniger überzeugend ist die Entscheidung des Regisseurs, den Plot der Handlung zu Beginn mit einem rhetorischen Rampengewitter darzulegen. Und der Mittelteil des Stückes, eine etwas absurde Szene in der „heiligen Irrenanstalt“, welcher vor schwerlastiger Sentimentalität bewahren soll, wirkt einigermaßen aufgesetzt und erzeugt manch falsches Gelächter. Sehr zwingend hingegen wirkt die Ausstattung Holger Hanewackers: Koffer, wohin man blickt. Symbol für Unbehaustheit und Entwurzelung. Ganz wichtig ist, das dieses Stück gespielt wird. Hut ab vor Tiefrot.