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Die Gerechten im Schauspielhaus Düsseldorf

Die altersweisen Attentäter

In einer Zeit, in der blutgierige Terroristen in Asien, Afrika und Lateinamerika mit ihren Gräueltaten tagtäglich Schlagzeilen provozieren, ging das Düsseldorfer Schauspielhaus mit dem Camus-Revolutionärs-Klassiker Die Gerechten relativ behutsam um. Der langjährige Dortmunder Intendant und seit vielen Jahren frei inszenierende Regisseur Michael Gruner (69) holte eine Handvoll hervorragender, alter Schauspieler und Schauspielerinnen auf die Bühne im Großen Haus, um die Zweifel, Selbstzweifel und Mord-Rechtfertigungen in die Jahre gekommener Revolutionäre darzustellen.

Es geht um das 1905 geplante und tatsächlich verübte politische Attentat auf den russischen Großfürsten Sergej in Moskau. Die Attentäter - im Text von Camus allesamt junge, heißblütige Akteure - haben bei Gruner allesamt den Zenit der 70-Jährigen überschritten und debattieren nicht explosiv, wie möglicherweise junge Revolutionäre, sondern mit nachfragenden Gedanken, Überzeugungen von Tod und Leben und Skrupeln.

Das macht diese nur 90minütige Inszenierung aus. Vier alte Männer (Michael Abendroth, Wolf Aniol, Reinhart Firchow, Andreas Weissert) spielen die Rollen der 19 bis 28 Jahre alten Revolutionäre, die sich in einem alten Theater treffen, um dort die Einzelheiten für den Tyrannenmord am Großfürsten zu besprechen und bis ins Detail vorzubereiten. Wer von ihnen wirft die erste, wer die zweite Bombe - alles klar - allerdings schlägt der erste Anschlag vor dem Theater fehl. Janek (hervorragend Michael Abendroth) scheut davor, die beiden Kinder, die in der Kutsche des Großfürsten sitzen, mit zu töten.

Daraus ergibt sich auf der nur mit fünf Stühlen versehenen, karg-grauen Bühne eine heiße Diskussion darüber, was Revolutionären erlaubt, was verboten sein könnte. Was zwischen möglicherweise nach dem Motto "Die Revolution frisst ihre Kinder" gegen die Revolutionäre zurückschlagen könnte. Einer lässt keine Skrupel gelten, ein anderer verlässt seinen Posten als erster Bombenwerfer, weil er erkennt, dass er die Schuld der Tat nicht ertragen könnte.

Die grandiose Marianne Hoika in blutrotem Haar als Dora Dulebow trauert so intensiv um den festgenommenen Attentäter, dass man als Zuschauer in ihrer Mimik jeden Moment der ihr geschilderten Hinrichtung ihres Freundes Janek ablesen kann. Die Riege der Alten mordet nicht schnell, nicht ohne belastendes Hinterfragen der Tat. Die alten, die wirklichen Revolutionäre setzen sich bei Gruner mit Schuld, Sühne und der Möglichkeit des Weiterlebens auseinander und verzweifeln schier daran.

Während die Revolutionäre und Attentäter bei Camus zwischen 19 und 26 Jahre alt sind, wahrhaft heißblütig und mit wenigen Skrupeln ausgestattet, sind sie in der Düsseldorfer Inszenierung abgeklärt, mit einer eigenen - manchmal nachgetrauerten - Geschichte versehen wie bei Borja (Firchow), der sich an die Feste und die hübschen Frauen seiner Jugendzeit erinnert. Die anderthalb Stunden der Inszenierung wirken deutlich länger, weil die Aktionen auf der Bühne nur gesprochen, selten gespielt werden, aber sie überzeugen.

Am Ende gibt es im vollbesetzen großen Haus des Schauspielhauses Düsseldorf wirklich fünf Minuten langanhalt-überzeugten Applaus des Premierenpublikums für hervorragende Schauspieler und einen sehr guten, zurückhaltenden Regisseur.