Übrigens …

Das Käthchen von Heilbronn im Köln, Schauspiel

Harte Nuss

„Schütze mich Gott und alle Heiligen“, so die Schlussworte von Kleists Protagonistin. In der Kölner Inszenierung von Stefan Bachmann bestätigen sie freilich nicht, wie vom Dichter vorgesehen, die endgültige Glücksfindung des Liebespaares Käthchen von Heilbronn und Friedrich Wetter, Graf vom Strahl. Nun ist Kleists „happy end“ heute tatsächlich nicht mehr zu vermitteln. Käthchen ist die Tochter eines Waffenschmieds im mittelalterlichen Heilbronn. Als sie dem Graf vom Strahl in der Werkstatt ihres Vaters begegnet, sinkt sie ihm sogleich zu Füßen und folgt ihm hinfort auf allen seinen Wegen. Dem Grafen ist dies gar nicht recht, zumal er einem Traum nachhängt, welcher ihm weissagte, die hochadelige Kunigunde von Thurneck würde seine Gattin werden. Nun aber bringt das bürgerliche Girly seinen ritterlichen Emotionshaushalt durcheinander. Fühlt er sich tatsächlich entflammt, gerät er in seelische Konflikte?. Handelt es sich um eine „amour fou“, die sich gegen die Normen gesellschaftlichen Wohlverhalten auflehnt? Das wäre auch mit Blick auf die Titelheldin zu fragen.

Intendant Stefan Bachmann, der im zweiten Amtsjahr mit dieser Inszenierung seine erste originale Kölner Produktion offeriert, weiß darauf, unverblümt gesagt, keine Antwort. Er lässt zwar eine besonders starke Mutterbindung des Grafen deutlich werden, dennoch bleibt sein liebend Herz ein Ort voller Geheimnisse. Die Mama ist übrigens Claudia Amm, Lebensgefährtin von Günter Lamprecht, der 1980 in der letzten Käthchen-Inszenierung (Jürgen Flimm, Käthchen: Katharina Thalbach), den Grafen verkörperte. Sie steht vornehm und (wie die anderen häufig auch) publikumsfrontal in der Tiefebene von Olaf Altmanns hochragender, gewölbter Riesenfläche, eine möglicherweise als Rutschbahn des Lebens gemeinte Dekoration. Gerutscht wird in der Tat viel, auch viel geklettert und in Schieflage gegangen.

Bruno Cathomas wirkt mit seiner körperfesten Erscheinung eigentlich wie ein in sich  ruhender Charakter, bei Bachmann darf er jedoch einen fast weinerlichen Menschen markieren, der dann am Ende aber doch pubertierend den starken Mann hervorkehrt. Was, um Gottes Willen, findet Käthchen an diesem Weichei? Auch wenn Julia Riedler kein sich romantisch verströmendes Mädchen gibt, sondern eine kernige Jungfrau mit allerdings leicht verworrenen lyrischen Anwandlungen: ihre seltsame Herzensverausgabung wird von der Regie nicht beleuchtet oder gar erleuchtet. Der zu Beginn beschriebene Abgang wirkt nicht wie eine logische Entscheidung, sondern wie ein psychologisch verlegener Theatercoup. Spät kommt er, doch er kommt immerhin mit Andeutungen, aber der lange Weg entschuldigt kaum das inszenatorische Säumen.

 In den 2 ¼ pausenlosen Stunden bietet Stefan Bachmann so manches Theaterspektakel nach dem Motto „Ja, so war’ns die alten Rittersleut“, einige schöne, aber selbstzweckhaft wirkende choreografische Details, für Birgit Walter (Kunigunde) mal endlich wieder eine angemessen große Rolle, freilich primadonnenhaft hysterisch zerfasert. Als ihr lascher Möchtergern-Lover, Rheingraf vom Stein, sorgt Robert Dölle für Publikumsheiterkeit, Stefko Hanushevsky (Gottschalk) ist ein witziger Flitzemann, auch Seán McDonagh verausgabt sich. Allein, was ist das für einen derart verspielten, aussagelosen Abend?

Das “große historische Ritterspiel“ ist derzeit auf etlichen Bühnen zu sehen (St. Gallen, Frankfurt, Berlin). Warum nur? Da gäbe es mit Prinz von Homburg, Penthesilea, Amphytrion oder dem Zerbrochenen Krug bessere Wirkungschancen.