Zerstörte Träume
Detroit – der Name stand einst für eine blühende Industriemetropole. Heute ist er eher Synonym für den Abstieg der amerikanischen Mittelschicht. Schossen in vergangenen Jahrzehnten vorstädtische Reihenhaussiedlungen aus dem Boden, die sich wie ein Ei dem anderen glichen, verwaisen diese nun mehr und mehr, werden zu Geisterorten.
Dort wohnen Ben, den die Arbeitslosigkeit schon erwischt hat, und Mary. Sie versuchen verzweifelt, den bürgerlichen Schein ihrer Existenz aufrechtzuerhalten, die doch der Sinn ihres Lebens ist. Irgendwann ziehen Kenny und Sharon in ein leerstehendes Haus. Die beiden sind bereits ganz unten und starten einen letzten Versuch, ihrer Junkie-Karriere ein Ende zu bereiten.
Das ist die Grundkonstellation von Lisa D’Amours Stück Detroit, das im Theater Münster seine Deutsche Erstaufführung erlebt. D’Amour entfaltet einen Mix aus Komödie und Drama. Doch wirken die komischen Momente nicht recht nach, sind eher ohne Biss. Und die dramatische Entwicklung ist allzu vorhersehbar. Mal ehrlich, wer hätte die unweigerlich folgende finale Zerstörung des hübschen Hauses von Ben und Mary nicht ganz schnell vorausgesehen nach dem ersten Zusammentreffen mit Kenny und Sharon? Den Weg dorthin zeichnet D’Amour eher routiniert.
Da tut Regisseurin Caro Thum gut daran, ihren Akteuren zu ermöglichen, ihre Charaktere ohne viel unnötige Nebenschauplätze zu entfalten. Thums Fokus darauf macht den Reiz dieses Theaterabends aus.
Carola von Seckendorffs Mary ist immer um Contenance bemüht – doch in ihr brodelt ein Vulkan zwischen Frust und Lust, den sie nur mit Hilfe einiger Drinks herauslassen kann. Ihr Gegenpol ist Julia Stefanie Möllers Sharon – von Existenzängsten völlig durchdrungen. Und doch, die beiden haben noch Träume. Ihr gemeinsamer Campingausflug, der natürlich nicht stattfindet, ist der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern. Aurel Bereuter ist Ben, der sich mit Ratgebern für’s Leben fit zu machen versucht und längst weiß, dass er verloren hat. Anrührend, wie Bereuter von seiner zweiten, virtuellen Existenz erzählt, die ihm längst wichtiger ist als das reale Leben. Christoph Rinke verkörpert den Junkie wie er im Buche steht – voll Hoffnung und doch ganz und gar von Aggressivität durchdrungen. Lilith-Marie Cremers Shoii-Häuser bieten das perfekte Ambiente für Hoffnungen, die sich nicht erfüllen werden: Papier ist vergänglich!
Aufgepfropft wirkt das Ende. Thomas Meinhardt als „Ureinwohner“ der Siedlung möchte eine Art Gedenkstätte errichten für einen amerikanischen Traum, der sich nicht verwirklicht hat.Und vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb man etwas fremdelt und auf Distanz geht zu Detroit – Detroit ist eben nicht Münster.