Übrigens …

Kabale und Liebe im Bochum, Schauspielhaus

„Es ist etwas Gemeines, dass Menschen fallen und Paradiese verloren gehen“

Friedrich Schillers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Liebe gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. 1784 fand die Uraufführung in Frankfurt am Main in Abwesenheit des Dichters statt. Zwei Tage später bei der Mannheimer Erstaufführung war Schiller anwesend.

Zwischen 1744 und 1793 regierte Herzog Carl Eugen das Land Württemberg mit unumschränkter Willkür, unberechenbar, verlogen, geizig. Zahlreiche Quellenzeugnisse zeigen uns einen entfesselten Tyrannen, der auch nicht davor zurückschreckte, brutale Zwangsmaßnahmen gegen Landeskinder zu ergreifen. Sie wurden für ein Kopfgeld zum Zweck der Konsolidierung der maroden Staatsfinanzen den Söldnerheeren der britischen Krone verkauft. Schiller erwähnt diesen Menschenhandel in seiner Tragödie. Die Figur der Lady Milford ist der Mätresse des Herzogs nachempfunden.
Schiller zeigt in Kabale und Liebe hoffnungsvolle junge Leute in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Der Adel ist nicht mehr fähig, die Gesellschaft zu regieren und ihr eine Perspektive zu geben. Das Bürgertum, zunehmend selbstbewusster werdend, hat jedoch noch nicht die Macht in den deutschen Kleinstaaten erlangt.

Anselm Weber bringt Kabale und Liebe in einer textgenauen, sehr dichten Inszenierung auf die Bühne. Schon vor Beginn des eigentlichen Spiels, während die Zuschauer noch zu ihren Plätzen gehen, sehen wir auf der Bühne einen Fechtgang. Klaus Figge, renommierter Dozent für Fecht- und Bühnenkampfszenen an der Folkwang Universität, zeigt einem in weißer Fechtmontur steckenden jungen Mann, was Attacke und Parade bedeuten. Ein klug gewählter Einstieg in Schillers Drama, ist doch der junge Mann Ferdinand (sehr beeindruckend: Nils Kreutinger), der sich im Folgenden gegen mannigfaltige Widerstände zur Wehr setzen muss. Luise schaut zu, um sich kurz darauf in herzlichem Beisammensein mit dem Geliebten Musik vom Smartphone anzuhören.
Daniel Stock in der Rolle des Kammerdieners führt das Publikum dann in den Abend ein: „Die Bühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen mit Unterricht….Kurzweil mit Bildung paart“. Und ferner führt er aus: „In dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg“.

Die Bühne ist kahl – bis auf die Rückseite der Spielfläche mit einem großen abstrakten Bild in Blaugrau. Stock sprüht den Grundriss des Hauses des Musikanten Miller auf den Boden. Bernd Rademacher ist glaubhaft als besorgter Vater, der nichts auf seine Tochter kommen lässt. Florian Lange glänzt als wendiger, schmieriger Intrigant Wurm, der vor keinem Mittel zurückschreckt, um doch noch an sein Ziel zu kommen. Friederike Becht ist als Luise ihrem Ferdinand ebenbürtig, überzeugend in ihrer innigen Liebe zu ihm („Du hast den Feuerbrand in mein Herz geworfen“) und dennoch ganz gehorsame Tochter ihres Vaters. Felix Vörtler gibt den Präsidenten von Walter als karriereorientierten Machtmenschen, der seinen politischen Ehrgeiz über das seelische Wohl seines Sohnes stellt. Als Kontrastfigur fungiert Roland Riebeling. Höchst unterhaltsam als Hofmarschall von Kalb, eine arrogante, gockelhafte Hofschranze in rotem Samtgewand und mit höfischer Perücke. Lady Milford, die ihre adligen Privilegien nutzen will, um ihr Bedürfnis nach Liebe durchzusetzen, wird von Kristina Peters gespielt. Sie überzeugt durch ihre Menschlichkeit im Gespräch mit dem Kammerdiener, in dem jener von dem skrupellosen Verkauf der Landeskinder durch den Herzog berichtet.

Webers Inszenierung dieses Dramas der vergeblichen Liebessehnsüchte lässt einen atemlos lauschen, obwohl man den Text schon oft hörte. Das hervorragende Ensemble besticht durch sein intensives Spiel, dem man sich nicht entziehen kann.