Ein Abend wie ein Cocktail mit einer Mischung „TV-Soap“ und aktuelle Nachrichten mit einem Schuss Shakespeare
Die Bochumer Inszenierung von Viel Lärm um Nichts stand nach unüberbrückbaren Differenzen zwischen dem Regisseur Lukas Langhoff und dem Ensemble fast vor dem Aus, hätte nicht der Dramaturg Olaf Kröck die Produktion übernommen. Es ist unmöglich, zu beurteilen, wie groß der Einfluss einzelner Beteiligter auf die Gestaltung des Shakespeare-Stoffes war. Klar ist jedoch, dass allzu viele Aktualisierungsversuche und Verfremdungen der eigentlichen Aussage der Komödie nicht gut getan haben.
Viel Lärm um nichts thematisiert den Kontrast zwischen Schein und Wirklichkeit, zwischen Masken, die man den anderen zeigt, und dem wahren Gemütszustand. Shakespeare entwarf zwei Handlungsstränge, indem er zwei Liebespaare vergleicht, die beide lernen müssen, einander zu verstehen.
In Bochum ist die Handlung von Shakespeares Komödie in ein teures Sanatorium in Messina verlegt worden. Kriegsversehrte und Kandidaten, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen wollen, sind die Patienten. Schon zu Beginn wird deutlich gemacht, dass Shakespeares Geschichte oft nur eine Art Stichwortgeber für einen ganz anderen Kontext ist. Don John (Roland Riebeling) tritt vor den roten Vorhang der großen Bühne und beklagt sich darüber, dass so viele Zuschauer – genannt werden die Flüchtlinge aus Afrika, die auf dem Hintergrundprospekt später in ihren Booten zu sehen sind -, sein Golfhandicap „versauen“. Obwohl er dann großzügig feststellt: „Ich habe nichts gegen diese Leute“, hat er doch 10000,-Euro für seinen Aufenthalt in dem elitären Golf-Club gezahlt.
Im Folgenden spielt sich alles in bzw. vor besagtem Sanatorium ab, einer in Grün und Gelb gehaltenem ansehnlichen Villa. Don Pedro (Raiko Küsters im Army-Tarnanzug), Claudio (Nicola Mastroberadino), Benedikt (Daniel Stock) und Don John kurieren mit allen Hilfsmitteln der ärztlichen Kunst wie Rollstuhl, Gipsbein oder Infusionsständer ihre Kriegsverletzungen. Requisiten wie große Physiotherapiebälle, die man neckisch auftitschen lassen kann oder die wahlweise auch als Sitzgelegenheit dienen, passen ins Bild. Auch wenn die Inszenierung über längere Strecken recht nah am Originaltext bleibt, verwundern doch manche Gags sehr. Warum müssen alle Akteure mit Masken vor dem Gesicht – verstecken sie ihr wahres Ich? – zu der sattsam bekannten Schnulze „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer tanzen? Welchen Sinn macht das quälend in die Länge gezogene Tischtennisspiel, bei dem dem im Rollstuhl sitzenden Claudio kein Aufschlag gelingen will? Warum wurde der Originaltext so gekürzt, dass das Ende wegfällt und wir nur den mit einem MG wütend herumschießenden Claudio erleben, der bei seiner Hochzeit Hero (mal ohne Gesichtsverband) und die ganze Gesellschaft aufs Korn nimmt? Alle bluten langsam zu, die Drehbühne gerät in Bewegung und man sieht jetzt deutlich das große Gemälde mit den afrikanischen Bootsflüchtlingen in zwei Schiffchen. Die Komödie ist aus, die Realität bleibt?
Man kann sich diese Interpretation zwar vorstellen, ist aber verärgert ob der allzu groben Bemühung, einen klassischen Text um jeden Preis zu aktualisieren.
Was bleibt von diesem relativ kurzen Abend? Erleichterung, wenn das Licht im Zuschauerraum angeht. Eine gerade in Bochum höchst ungewöhnliche Erfahrung.